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Der lange Kampf für eine kürzere Arbeitszeit

Mit „Samstags gehört Vati mir“ warben die Gewerkschaften einst für die Fünftagewoche

Von Pascal Beucker

Die Argumente waren schlagend. Ganz genau hatte sich die IG Metall angeschaut, welche Effekte die von ihr durchgesetzte Absenkung der Arbeitszeit in einer Abteilung des Oberhausener Hüttenwerks mit sich gebracht hatte. Es habe weniger Reibungen im Betrieb gegeben, der Krankenstand sei um 30 Prozent gesunken, und die Zahl der Kirchenbesuche um 90 Prozent gestiegen, konstatierte die Gewerkschaft. Außerdem hätten 58 Prozent der befragten Beschäftigten angegeben, nunmehr ein besseres und fruchtbares Eheleben zu führen.

Die Umfrage stammt von Mitte der 1950er Jahre. Damals galt in der Bundesrepublik bis auf wenige Ausnahmen die 48-Stunden-Woche, gegen die der DGB und seine Einzelgewerkschaften mit einer schlagkräftigen Parole mobilmachten: „Samstags gehört Vati mir.“

Der Kampf um Arbeitszeitverkürzung ist so alt wie die Arbeiterbewegung selbst. Schon die Ausrufung des Ersten Mai zum internationalen Tag der Arbeiterbewegung im Jahr 1889 war Teil einer Kampagne zur Durchsetzung des Achtstundentags. Damals lag die durchschnittliche Wochenarbeitszeit in Deutschland bei 72 Stunden.

Acht Stunden Arbeit, acht Stunden Schlaf, acht Stunden Mensch sein – das war die Faustformel, mit der die Gewerkschaften über Jahrzehnte für Arbeitszeitreduzierung kämpften. Die sechstägige 48-Stunden-Woche kam schließlich mit dem Ende des Kaiserreichs. Die fünftägige 40-Stunden-Woche setzte sich erst ab 1959 bis Mitte der 1970er Jahre durch.

Da diskutierte die kampfstarke IG Metall bereits über die 35-Stunden-Woche. Den ersten Streik dafür gab es 1978/1979 in der nordrhein-westfälischen Eisen- und Stahl­indus­trie. Sechs Wochen dauerte er – und endete mit einer Verlängerung des Jahresurlaubs auf sechs Wochen und Freischichten für ältere Beschäftigte und Schichtarbeiter.

Der Einstieg in die 35-Stunden-Woche kam Mitte 1984. Die IG Metall streikte sieben Wochen, die IG Druck- und Papier sogar zwölf, bis sie eine Reduzierung von 40 auf 38,5 Wochenstunden durchgesetzt hatten. 1987 erreichten sie die 37-Stunden-Woche. Den endgültigen Durchbruch schafften die beiden Gewerkschaften 1990: Die Arbeitgeber erklärten sich bereit, in zwei Stufen bis 1995 die 35-Stunden-Woche einzuführen.

Das war der Höhepunkt des Kampfs für Arbeitszeitverkürzung – und zugleich ein Wendepunkt. Denn die 35-Stunden-Woche konnte sich ansonsten nicht durchsetzen. Im Gegenteil: In vielen Tarifbereichen gibt es seit der Jahrtausendwende ein Rollback, etwa im Bauhauptgewerbe, wo 2005 die Arbeitszeit von 39 wieder auf 40 Stunden erhöht wurde – und zwar ohne Lohnausgleich.

Die IG Metall zog zuletzt 2003 mit der Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung in die Tarifverhandlungen. Damals wollte sie die 35-Stunden-Woche auch für Ostdeutschland erzwingen. Was ihr in der Stahlindustrie auch gelang.

In der Metall- und Elektro­industrie erlebte sie jedoch ein Fiasko. Nach vierwöchigem Flächenstreik brach die Gewerkschaft ihren Arbeitskampf ergebnislos ab. Gescheitert an der Hartleibigkeit der Arbeitgeber, aber auch am Mangel an Solidarität der westdeutschen KollegInnen und an gewerkschaftsinternen Zwistigkeiten, erlitt sie eine der größten Niederlagen ihrer Geschichte. Bis heute müssen die MetallerInnen in den ostdeutschen Ländern für das gleiche Geld drei Stunden länger in der Woche arbeiten als ihre KollegInnen im Westen.

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