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Die Dinge des Lebens

Fred Hüning hat einen Fotoband über die drei Menschen gemacht, die er am meisten liebt

Von Anja Maier

Nun aber bleiben Glaube, Liebe, Hoffnung – diese drei.“ Ein jeder kennt den Satz aus dem Korintherbrief. Glaube, Liebe, Hoffnung – das sind auch die Kapitelüberschriften in „two mothers“, dem sehr persönlichen Buch des Berliner Fotografen Fred Hüning. Auf 216 Seiten zeigt er die Menschen seines Lebens. Glaube – seine Mutter. Liebe – seine Frau. Hoffnung – sein Sohn.

Es ist ein anrührendes Buch. Und, man vergisst derlei leicht zu erwähnen, es ist unglaublich sorgfältig gestaltet. Es hat Rhythmus, es duftet nach Druckfarbe, man sieht die Fadenheftung, es liegt fest in der Hand.

Die drei Kapitel, jeweils mit einem Zitat eingeleitet und einem selbst geschriebenen Gedicht abgeschlossen, sind sehr innig. Da ist viel Liebe, viel Nähe, Anbetung. Und Abstoßung. „two mothers“ ist dunkel wie das grüne Wasser auf dem Titelblatt, in dem Hünings Frau nackt durchs Bild schwebt. „two mothers“ ist düster wie das Foto von Hünings Mutter, die, die Hand vor dem Gesicht, vor winterkahlen Bäumen steht. Und es ist licht wie die Augen von Hünings Sohn, der unter seinem Handtuchturban weit, weit nach innen schaut.

Es ist: Familie. Herkunft. Spiel.

Das klingt nach neuer deutscher Innerlichkeit. Nach selbst fabriziertem Kitsch in einer weiß Gott zunehmend herausfordernden Außenwelt. Aber Fred Hüning schafft es, das Gefällige konsequent zu unterlaufen. Der 51-Jährige hat Fotografie an der renommierten Ostkreuz-Schule studiert, hat bei Ute Mahler seinen Abschluss gemacht. Von dort rührt Hünings Bildsprache. Sein erzählerisches Vorbild, sagt er, sei der Norweger Karl Ove Knausgard. „Ich wollte dazu ein Pendant schaffen.“

„Mein Kampf“ heißt Knausgards vieltausendseitiges Romanprojekt, das vom Alltag im Kleinen spricht und doch das Große einer ganzen Gesellschaft meint. Fred Hüning spricht lieber von den „Dingen des Lebens“. Immer habe er gewusst, dass er über seine Mutter arbeiten wolle. Auf den Fotos ist sie in großer Stille und Einsamkeit zu sehen. Tags der Gang zum Friedhof und die alltäglichen Verrichtungen, nachts der unruhige Schlaf, dann wieder der Tag, der Garten, das Dasein.

Auch die 64 Seiten über Hünings Frau Karoline zeigen, was Paare, erprobte Paare, kennen. Nähe ist ja nicht stets Attraktion. Sie ist das Ertragenwerden, Ertragenkönnen eines Immergleichen. Die feuchte Wäsche auf dem Trockner, die Tausenden gemeinsamen Mahlzeiten, das heranwachsende gemeinsame Kind. Der Körper seiner Frau, immer wieder ihr Körper. Dazwischen: persönliche Katastrophen. Streits, Witze, Stille. Und die doch zuverlässige Nähe des anderen. „Man muss sich Sisyphus als einen glücklichen Menschen vorstellen“ – dieses Camus-Zitat hat Hüning seinem „Liebe“-Kapitel vorangestellt.

Gefragt, was es mit einer Beziehung macht, wenn die eine Seite Gegenstand eines nicht erlahmenden, maximal nahetretenden künstlerischen Interesses ist, sagt der Fotograf über seine Frau: „Sie fand es immer gut.“ Und: „Wir arbeiten zusammen, so würde ich das bezeichnen.“

Für Hüning endet diese Zusammenarbeit nicht an der Generationengrenze. Sein Sohn Rocco, erzählt er, habe beim dritten Kapitel viele Bildideen beigesteuert. „Hoffnung“ heißt dieses Kapitel, es ist der weitaus ermutigendste Teil von „two mothers“. Das blonde Lockenkind in der Liberty-Pose, die Pistole aus Toastbrot, Roccos gerade noch so ernster Blick aus diesen hellen, schönen Augen. Dazwischen Zeichnungen und Bildübermalungen von ihm: ein Gespenst, das übers Wasser gleitet – alles ist möglich in dieser, seiner Welt. Noch.

„two mothers“. Peperoni Books 2017, 216 Seiten, 44 Euro

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