: Alle haben gepennt
Das novellierte bremische Wohn- und Betreuungsgesetz sollte nach dem Willen der Bürgerschaft befristet und durch externe Gutachter evaluiert werden. Im Gesetz steht davon allerdings kein Wort
Klaus Möhle, sozialpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion
Von Simone Schnase
Am novellierten bremischen Wohn- und Betreuungsgesetz (BremWoBeG) hat sich bereits viel Kritik entzündet. Nun gibt es einen weiteren Aufreger: Denn nirgends dort ist festgeschrieben, dass es befristet und evaluiert werden soll. Dabei hatte die Bürgerschaft genau das mehrheitlich beschlossen.
„Die Öffentlichkeit ist hier getäuscht worden“, sagt dazu Reinhard Leopold, Regionalbeauftragter der Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen (Biva) und Gründer der Bremer Selbsthilfe-Ini „Heim-Mitwirkung“. Nicht nur für ihn, sondern auch für die Berufs- und Interessensverbände Pflegender sowie die Gewerkschaft Ver.di ist die Befristung des Gesetzes essentiell: „Es hat noch zu viele Schwachstellen“, sagt Leopold.
Im November, am Tag der ersten Lesung des novellierten BremWoBeG, forderte dann auch die rot-grüne Koalition in einem Änderungsantrag, dass die zum BremWoBeG gehörende Personalverordnung „gemeinsam mit dem Wohn- und Betreuungsgesetz auf fünf Jahre zu befristen und ihre Wirkung durch externe Gutachter zu evaluieren“ sei.
Also war klar, dass das Gesetz, nachdem es dann im Dezember in die zweite Lesung gegangen war, befristet würde. Bloß: Davon findet sich im Gesetzestext nichts. Den AntragstellerInnen ist das nicht aufgefallen – zumindest nicht Klaus Möhle, sozialpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion: „Nein, ich weiß nichts davon, dass das nun doch nicht im Gesetz verankert ist“, zeigte er sich völlig überrascht.
Absicht, so wie Leopold es vermutet, war’s jedenfalls nicht, sondern offenbar Schludrigkeit. „In der Tat gilt das Gesetz derzeit ohne Befristung“, sagt Bernd Schneider, Sprecher der Sozialsenatorin, „aber das liegt daran, dass durch den Antrag von Rotgrün lediglich die Änderung zur Personalverordnung beschlossen wurde.“ Das sei aber niemandem aufgefallen: „Das Gesetz wurde dann in der zweiten Lesung so durchgewunken.“
Für eine Befristung des BremWoBeG hätte es eines „Gesetzesänderungsantrages“ bedurft: „Der muss nun erst noch gestellt und ebenfalls von der Bürgerschaft abgestimmt werden – aber das wird so schnell wie möglich auch geschehen. Und dann wird das Gesetz auch entsprechend geändert.“ Und ja, räumt Schneider ein, ein bisschen peinlich sei es schon, dass niemandem der Fehler aufgefallen sei, „aber Fraktionen, die entsprechende Anträge stellen, müssen natürlich auch ein bisschen selbst darauf achten, dass sie das korrekt tun“.
Auf Nachfrage, ob der Bürgerschaftsdirektor Fehler im Gesetzgebungsverfahren nicht frühzeitig bemerken müsste, sagt Horst Monsees, Sprecher der Bürgerschaft: „Man hätte das vielleicht irgendwann merken müssen, aber auch dem Senat und den Fraktionen ist hier ja offenbar nichts aufgefallen.“ Und auch bei der Antragstellung, schließt Monsees sich Schneider an, müsse natürlich auf Richtigkeit geachtet werden.
„Okay, meinetwegen bin ich schuld“, sagt Möhle. „Ich habe bei der Debatte um das BremWoBeG meine Schwerpunkte deutlich woanders gesetzt.“ Gleichwohl sei die Befristung und Evaluation des Gesetzes wichtig: „Ich gehe gleich am Montag zur Bürgerschaftsverwaltung, damit das so schnell wie möglich umgesetzt wird.“
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