Rechtspopulismus in den Niederlanden: Hype und Erregung

Wilders' PVV inszeniert seit Jahren einen Medienzirkus – und die Journalisten spielen mit. Ein unaufgeregter Umgang mit der Partei ist nicht absehbar.

ein grinsender Mann

Geert Wilders. Ist er nicht schön? Foto: reuters

AMSTERDAM taz | Für die Medien ist die „Partij voor de Vrijheid“ (PVV) ein gefundenes Fressen: Markante Sprüche an der Grenze zum Rassismus, Skandale um Abgeordnete mit auffallend schlechten Manieren, dazu die allzeit streitbare Reiz- und Galionsfigur Geert Wilders, der wegen islamistischer Morddrohungen bereits länger als es die PVV gibt unter Personenschutz steht. Zu berichten gibt es immer etwas.

Mit den Jahren hat sich die PVV immer rabiater als Rächerin der kleinen Leute, zumal der alteingesessenen und vermeintlich hart arbeitenden, aufgespielt. Sie hetzt gegen Eliten und Europa, Multikultur und Muslime. Sie kreiert einen Hype nach dem anderen und kann stets damit rechnen, von der Mehrzahl der Medien bereitwillig aufgesogen zu werden. Da war zum Beispiel der amateurhafte „Islam-Film“ namens „Fitna“ von Geert Wilders' im Jahr 2008, der im Vorfeld zum potentiellen Flächenbrand-Auslöser im Nahen Osten aufgebauscht wurde. Es passierte: nichts.

Genau wie die AfD in Deutschland setzt auch die PVV auf ein mediales Aktions-Reaktions-Schema. Das geht so weit, dass im Frühjahr diesen Jahres einige Medien die PVV schon vor den Parlaments-Wahlen nach einem Umfragehoch bereits fast zum Wahlsieger erklärten, um dann, nach der Niederlage, selbstkritisch zu fragen: „War der Wilders-Hype übertrieben?“ (ARD).

Dass niederländische Kollegen den Wilders-Hype seit Jahren übertreiben, ist unbestritten. Was nicht zuletzt an ihrer eigenen Unsicherheit liegt. Diese wiederum resultiert zum einen aus der besonderen Situation, dass Wilders der politische Nachlassverwalter Pim Fortuyns ist, für dessen Ermordung 2002 viele Niederländer noch immer den Medien eine Teilschuld geben, weil sie Fortuyn „dämonisiert“ hätten.

Keine Stiefelglatzen im Gefolge

Manchen Journalisten fällt es außerdem schwer, die PVV politisch zu lokalisieren. Das Phänomen einer neuen Rechten, die betont israelfreundlich und nicht oder nicht explizit homophob ist, keine Stiefelglatzen im Gefolge hat und im Laufe der Jahre immer prominenter eine soziale Rhetorik vertritt, entzieht sich so manchen alten Kategorien. Entsprechend erfordert die Analyse ein gewisses inhaltliches Rüstzeug, oder zumindest die Zeit und Bereitschaft sich detailliert damit auseinanderzusetzen.

Die PVV wurde, was dies betrifft, vielfach auf ihre wohlkalkulierten Knalleffekte reduziert. Oft genug bestanden diese darin, dass Wilders sich in respektloser oder herablassender Form über den Islam oder den Propheten ausließ. Meist ging er dabei nach simplem Schema vor und verglich den Koran ob seines antisemitischen Gehalts mit „Mein Kampf“ oder nannte Mohammed einen Pädophilen.

In einer kleinen Serie schaut die taz auf europäische Medien und ihren Umgang mit den erstarkenden rechtspopulistischen Bewegungen und Parteien. Die Beiträge erscheinen Ende Dezember 2017 und finden sich nach Veröffentlichung unter www.taz.de/!t5473220/

Vor allem in den ersten Jahren der PVV war die mediale Reaktion jeweils erheblich – und der Aufschrei im Übrigen viel lauter als in Situationen, da der PVV-Chef forderte die Grenzen zu schließen oder keine Personen aus islamischen Ländern mehr ins Land zu lassen. Offenbar, so lässt sich folgern, wiegen für viele Medien religiöse Gefühle demnach schwerer als ein menschliches Grundrecht auf Bewegungsfreiheit – oder liegt hier nur ein chronischer Hang zum skandalösen Potential vor?

Tweets mit hohem Erregungsfaktor

Die PVV, soviel ist sicher, weiß die Medien zu bedienen. Einerseits macht sie sich rar, verweigert Gespräche und leistet sich die unverbindlichste Medienabteilung aller niederländischer Parteien, die kaum erreichbar ist. Andererseits sind da Wilders‘ Tweets, die auch in Ermangelung an anderem Material immer wieder zitiert werden und oft einen hohen Erregungsfaktor haben.

Wie sehr Medien sich in den Bann der Partei ziehen lassen, sah man etwa nach den Europawahlen 2014: Damals harrten zahlreiche Journalisten in einer engen Kneipe in Den Haag lange vor Beginn der Wahlparty hinter einem Absperrband aus. Manch einer traute sich nicht mal an die Bar um ein Getränk zu bestellen.

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