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heute in bremen„Die Antwort findet man auf der Straße“

Nomi Salemi*, 40, ist Journalist und Aktivist. Er lebt seit acht Jahren in Deutschland und hat sich an Protesten der studentischen Bewegung beteiligt und war in der verbotenen Arbeiterbewegung aktiv. Name geändert

Interview Gareth Joswig

taz: Herr Salemi, was passiert gerade im Iran?

Nomi Salemi: Seit acht Tagen protestieren in sehr vielen Städten im Iran tausende von Menschen auf den Straßen gegen die unerträgliche wirtschaftliche, soziale und politische Situation. Diese prekäre Situation hat sich seit über drei Jahrzehnten immer weiter vertieft und verbreitet. Zuerst gab es nur in fünf bis sechs Städten spontane Demos gegen die Verschlechterung der Wirtschaftslage und zunehmende Korruption, dann haben sich die Proteste ausgebreitet, wobei die Forderungen und Parolen zunehmend radikaler wurden und sich nun gegen das gesamte System richten.

Haben Sie als politischer Exilant Kontakt zu Ihrer Familie und AktivistInnen im Land?

Wir sind vor allem über das Internet und soziale Medien mit Familien und anderen Aktivisten im Iran verbunden. Auch die Leute im Iran informieren und mobilisieren sich hauptsächlich über das Internet. Diese Verbindungen zu halten, ist aufgrund der strengen staatlichen Filterung des Internets leider schwieriger geworden. Trotzdem versuchen die Leute im Iran die Kommunikation mithilfe von sogenannten Filterbrechern aufrecht zu erhalten.

Was kann man aus Deutschland tun?

Solidaritäts-Kundgebung mit den Protesten im Iran, 16 Uhr vor dem Hauptbahnhof

Solidarität zeigen mit der iranischen Bevölkerung. Das bedeutet für uns, dass Menschen in Deutschland und in der ganzen Welt die Proteste aktiv verfolgen und die Haltung ihrer eigenen Regierungen dazu kritisch betrachten. Es ist verantwortungslos, dass die deutsche Regierung sowie viele der Mainstream-Medien die Proteste hauptsächlich so darstellen, wie sie es aus den offiziellen iranischen Medien und deren Regierung entnehmen. Echte Solidarität beginnt mit der Frage: Wie beeinflusst deutsche Politik die Situation im Iran? Die deutsche Regierung hat Ruhani als Reformisten glorifiziert und politische sowie wirtschaftliche Beziehungen enorm ausgebaut – jedoch ohne zu fragen, was für Reformen im Iran gemacht wurden. Die Antwort findet man jetzt in den Protesten der Unterdrückten auf der Straßen.

Leidet man als Exil-Iraner auch in Deutschland unter der Verfolgung des Irans?

Der iranische Staat hat immer versucht, Oppositionelle auch im Ausland zu verfolgen. Das haben wir nicht nur an Attentaten auf Exilanten in den 80ern und 90ern gesehen, sondern auch während der Grünen Bewegung 2009, als iranische Aktivistinnen in Deutschland beobachtet wurden und einige danach viele Probleme bekommen haben.

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