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Irans Führung polarisiert

Am Tag 6 der Proteste gingen IranerInnen für und gegen das Regime auf die Straße

Auch am sechsten Tag wurden am Mittwoch in mehreren Städten Irans die Proteste gegen die Regierung und gegen die islamische Staatsordnung fortgesetzt. Laut Angaben der Polizei soll es in Teheran ruhig gewesen sein. Doch private Videoaufnahmen zeugen von kleineren Versammlungen nahe der Universität Teheran.

Das Regime reagiert auf die Proteste einerseits mit zunehmender Gewalt. 22 Personen kamen bisher bei den Auseinandersetzungen ums Leben, darunter auch ein Polizist und ein Mitglied der regierungstreuen Basidsch-Miliz. Mehr als Tausend Demonstrationen befinden sich im Gefängnis. Die Justiz drohte mit harten Strafen. Der Zugang zu den sozialen Netzwerken ist kaum noch möglich.

Auf der anderen Seite versucht das Regime, seine Macht durch Gegendemonstrationen zur Schau zu stellen. So fanden am Mittwoch in Teheran und anderen Städten staatlich verordnete Kundgebungen statt, an denen Zehntausende teilnahmen. „Nieder mit den USA“ – „Nieder mit Israel“ – „Nieder mit Saudi-Arabien“, skandierten die Teilnehmer. Sie bekundeten ihre Unterstützung für Revolutionsführer Ali Chamenei, verurteilten die Ausschreitungen und die „vom Ausland gesteuerten Unruhestifter“. Die Massenkundgebungen seien „ein harter Schlag ins Gesicht der ausländischen Feinde der Islamischen Republik und deren einheimische Lakaien gewesen“, schrieb die staatliche Agentur Irna.

Auch aufseiten der Reformer werden inzwischen Stimmen laut, die die Proteste der letzten Tage verurteilen. Der bekannte Journalist Abbas Abdi, einer der Strategen der Reformbewegung, beklagte die „Passivität“ gegenüber den Rebellierenden und forderte ein „hartes Vorgehen gegen Unruhestifter“. „Hinter den Protesten stecken reaktionäre arabische Staaten, die Rache üben und Iran in eine Lage, ähnlich wie die in Irak, in Libyen und Syrien drängen wollen.“ Abdi warnte davor, die Gefahr zu unterschätzen.

Der Oberbefehlshaber der Revolutionsgarde, Mohammed Ali Dschafari, beschuldigte am Mittwoch den früheren Staatspräsidenten Mahmud Ahmadinedschad, zu den Protesten aufgerufen zu haben. Ahmadinedschad hatte in den letzten Wochen harte Kritik vor allem an der Justiz geübt. Er hatte auch indirekt Chamenei angegriffen. „Wenn jemand vom Volk nicht akzeptiert wird, muss er gehen, gleichgültig welche Position er innehat“, sagte der Expräsident. Unterdessen forderten die USA eine „Dringlichkeitssitzung“ des UN-Sicherheitsrats und des UN-Menschenrechtsrats zum Thema Iran. UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich bestürzt über die Gewalt im Iran.

Bahman Nirumand

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