: Die Tönung schönen Lehms
Ein 25-jähriger Manfred Krug als leicht bewegliche Seele:Ralf Kirstens Defa-Komödie „Auf der Sonnenseite“ im Arsenal
Von Peter Nau
Wer mit einem Talent zu einem Talent geboren ist, findet in demselben sein schönstes Dasein. Das gilt auch für Martin Hoff (Manfred Krug), einen Stahlarbeiter, den es zum Theater zieht, der jedoch aus der Leipziger Schauspielschule, nachdem er allzu sehr aus der Reihe getanzt ist, hinausfliegt. Da jedoch das Gewebe dieser Welt nicht nur aus Gesetzlichkeit, sondern auch aus Zufall gebildet ist und der Held dieses heiter durchsichtigen Films das Zufällige zu lenken, zu leiten und zu nutzen versteht, landet er am Ende doch noch auf der Sonnenseite, dank eines Glückssterns namens Ottilie Zinn (Marita Böhme).
Bereit, ihr zu folgen
Er erblickt sie in einem Park, dann begegnet sie ihm in einem Tanzlokal wieder. Von da an hält die junge Frau ihn in der Schwebe des Lebendigen, in der Bereitschaft, ihr zu folgen: auf eine Großbaustelle, wo sie, wie sich herausstellt, als Bauleiterin, einzige Frau unter Männern, über diese gebietet. Er selbst verdingt sich als einfacher Arbeiter, muss viel einstecken, aber seine empfängliche, leicht bewegliche Seele schreitet durch Dick und Dünn wie die wandelnde Sonne von Nacht zu Tag fort, und mit leisen Übergängen stimmt seine Gitarre, während eine selig bewegte Ruhe über ihn kommt, zu Freude und Leid.
Wieder begegnen wir, wie in den Nouvelle-Vague-Filmen, dem eigentümlichen Schwarz-Weiß von damals, ein gewöhnliches Tageslicht, ohne jeden Zauber, ohne sogenannte Stimmung, das der Haut der Darsteller jene Tönung schönen Lehms gibt, die unser Bild von Belmondo & Co. geprägt hat.
Manfred Krug, zu dieser Zeit 25, weckt die angenehmsten Empfindungen. Marita Böhme, ebenfalls jung und höchst liebenswürdig, verbindet in ihrem Spiel die zarte Scheu vor einem Liebhaber mit der freiesten Bewunderung für den Schauspieler in ihm auf das Innigste, wodurch ihre Reize sich noch verstärken.
Ralf Kirsten: „Auf der Sonnenseite“ (DDR 1961). 27. Dezember, 19.30 Uhr, Arsenal
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen