Fortschritte bei Brexit-Verhandlungen: Durchbruch zum „Breakfast Tea“

Seit Ende Juni ging kaum etwas voran bei den Brexit-Gesprächen. Nach einer ersten Einigung, soll nun die zweite Verhandlungsphase beginnen.

Theresa May und Jean-Claude Juncker

Haben sich in wichtigen Punkten geeinigt: die britische Premierministerin Theresa May und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Foto: ap

BRÜSSEL taz | In Brüssel ist man es gewohnt, dass die EU-Chefs bis spät in die Nacht um Lösungen für knifflige Probleme ringen. Doch diesmal kam der Durchbruch am frühen Morgen, sozusagen zum „Breakfast Tea“: Nach einem überraschend anberaumten Treffen mit der britischen Premierministerin Theresa May im Morgengrauen verkündete EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker um kurz vor acht Uhr den ersten Erfolg im Ringen um den Brexit.

„Die Verhandlungen sind nicht einfach, aber uns ist jetzt ein erster Durchbruch gelungen“, sagte Juncker. Die erste Verhandlungsphase könne abgeschlossen werden. Sie gehe optimistisch in die nun geplante zweite Phase, erklärte May. Es gehe um eine enge Partnerschaft für die Zeit nach dem EU-Austritt. Das liege im Interesse aller – und werde für die Wirtschaft sichere Bedingungen schaffen.

Die bitterste Phase der Scheidung ist vorbei, lasst uns gemeinsam in die Zukunft blicken – so die optimistische Botschaft, die May verbreiten möchte. Sie brauchte dringend einen Erfolg, da sie daheim in London schwer unter Druck steht. Doch EU-Ratspräsident Donald Tusk spielte gleich wieder den Spielverderber: Die nun bevorstehende zweite Phase werde noch härter, warnte er. Etwas zu beenden sei schwer, eine neue Beziehung aufzubauen viel schwerer.

In der nächsten Runde, die im Januar 2018 starten dürfte, soll es um ein Freihandelsabkommen mit London und um eine Übergangsphase nach dem Brexit gehen. Beides sind Themen, bei denen harte wirtschaftliche Interessen ins Spiel kommen. Um den europäischen Binnenmarkt wird es gehen, um Zölle und Hilfen für Unternehmen – alles knifflige Fragen, bei denen die EU keinen Spaß versteht. Das Freihandelsabkommen mit Kanada, das nun offenbar als Modell dienen soll, hat Jahre gebraucht, bis es fertig war.

Erschwerend kommt hinzu, dass viele Detailfragen aus der ersten Verhandlungsphase immer noch nicht gelöst sind. Dies betrifft vor allem die bis zuletzt hart umstrittene Irland-Frage. May willigte zwar schriftlich ein, dass es keine „harte“, also von Zäunen oder Mauern bewehrte Grenze zwischen Irland und dem britischen Nordirland geben wird. Auch der Zugang zum EU-Binnenmarkt soll auf der irischen Insel nicht beschränkt werden.

Formelkompromiss für den Status Quo

Doch wie die künftige „smarte“ Grenze aussehen soll, wie man Schmuggel und andere mögliche Probleme im Binnenmarkt verhindern will – über all das schweigt sich der 96 Kapitel umfassende „gemeinsame Bericht der Unterhändler“ aus. „Da sind kreative Lösungen gefragt“, sagte EU-Chefunterhändler Michel Barnier. Von einer „besonderen Lage und einer spezifischen Lösung“ hatte vorher May gesprochen.

Das Problem ist tatsächlich besonders „tricky“. Denn die Iren wollen keine Nachteile durch den Brexit hinnehmen. Die Nordiren und ihre Democratic Unionist Party (DUP), die die May-Regierung in London stützt, wollen hingegen nicht im Binnenmarkt bleiben. Sollte dies auf Umwegen am Ende doch geschehen, so haben Schottland und London bereits gefordert, ebenfalls am Binnenmarkt partizipieren zu können. May muss wohl die Quadratur des Kreises gelingen, um dieses noch nie da gewesene Grenzproblem zu lösen.

Vorerst beschränkt man sich in Brüssel auf einen Formelkompromiss, der den Status Quo sichert. Das gilt auch für die beiden anderen Kernfragen der nun beendeten ersten Phase. Die Rechte der EU-Bürger in Großbritannien bleiben gewahrt; sie können sogar weiter vor dem höchsten EU-Gericht in Luxemburg eingeklagt werden. Und bei den Finanzen hat sich London bereit erklärt, alle eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen – und sogar noch nach dem Brexit weiter an die EU zu zahlen.

Zieht das Parlament mit?

„In welcher Frage haben Sie eigentlich nachgegeben“, fragte ein britischer Journalist den EU-Chefverhandler Barnier bei einer eilig einberufenen Pressekonferenz am Morgen nach der Einigung. „Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich keine Konzessionen machen werde“, gab Barnier zurück. Allerdings habe die EU auch nicht alle ihre Ziele erreicht. So werde London nicht für den Umzug von zwei EU-Agenturen aufs europäische Festland bezahlen.

Dennoch könne man von „ausreichendem Fortschritt“ sprechen, so Barnier. Doch das letzte Wort haben nicht die EU-Kommission und ihr sichtbar erleichterter Chefunterhändler. In der kommenden Woche werden sich erst das Europaparlament und dann der EU-Gipfel mit dem Ergebnis befassen. Nur wenn die Staats- und Regierungschefs aus 27 EU-Ländern zufrieden sind, kann weiter verhandelt werden.

Der britische EU-Austritt soll im März 2019 vollzogen werden. Großbritannien wünscht sich danach eine Übergangszeit von zwei Jahren, in der das Land noch Teil des EU-Binnenmarktes und der Zollunion bleiben würde. Ein Mitspracherecht in Brüssel hätte London in dieser Zeit aber schon nicht mehr.

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