: Wahlhilfe mal anders
Eine FDP-Politikerin aus Quakenbrück steht wegen Wahlbetrugs vor Gericht. Und sie ist nicht die einzige, die bei der vergangenen Kommunalwahl in Niedersachsen Einfluss auf WählerInnen genommen haben soll
Aus Bersenbrück Anne Reinert
Eine Quakenbrücker FDP-Politikerin soll bei der Kommunalwahl 2016 zugewanderte Wähler in unzulässiger Weise beeinflusst haben. Ihr wird vorgeworfen, die Kreuze auf Stimmzetteln der Briefwahlunterlagen selbst gemacht oder den Wahlberechtigten erklärt zu haben, wo sie ihr Kreuz zu setzen hätten. Seit Montag muss sich die Sozialpädagogin wegen Wahlbetrugs vor dem Amtsgericht Bersenbrück verantworten.
Die 57-Jährige arbeitet bei einem kirchlichen Wohlfahrtsverband, wo sie zugewanderte Jugendliche berät. Ihre Bekanntheit und das Vertrauen ihrer KlientInnen habe die Politikerin ausgenutzt, um sie „in unzulässiger Weise“ bei ihrer Wahl zu beeinflussen, warf ihr die Staatsanwältin in der Anklage vor.
Insgesamt 19 Personen soll die Beschuldigte zu Hause aufgesucht haben, um mit ihnen die Unterlagen für die Briefwahl zu beantragen und diese schließlich gemeinsam auszufüllen. Danach wies die Politikerin die WählerInnen an, die eidesstattliche Erklärung zu unterschreiben, dass sie die Stimmzettel selbst ausgefüllt hätten. Einigen Zugewanderten sei die Bedeutung ihrer Unterschrift nicht bewusst gewesen, so die Staatsanwältin.
So war es auch bei den ersten vier ZeugInnen, einer Familie aus Rumänien mit zwei erwachsenen Söhnen. „Ich wollte sie wählen, weil sie uns sehr geholfen hat“, sagte der jüngere Sohn aus. Dass er danach eine eidesstattliche Erklärung unterschrieb, war ihm nicht klar. Die anderen Familienmitglieder wussten nicht einmal, dass sie an einer politischen Wahl teilnahmen. Die Mutter erklärte, die Angeklagte habe ihnen gesagt, dass sie Zugewanderten helfen wolle. „Ich dachte, dass sie ein Büro oder eine Niederlassung eröffnet, um den Ausländern zu helfen“, erklärte sie.
Anders war es bei einem rumänischen Ehepaar. Auch mit ihnen beantragte die Politikerin Briefwahl und half, die Stimmzettel auszufüllen. Die Frau erklärte, sie und ihr Mann hätten gewusst, dass es sich um Unterlagen für eine Kommunalwahl handelte. Sie habe die FDP-Frau wählen wollen und sich von ihr zeigen lassen, wo ihre Partei auf dem Stimmzettel stehe.
Die Angeklagte selbst verweigerte die Aussage. Sie ist nicht die einzige Kommunalpolitikerin in Quakenbrück, der Wahlbetrug vorgeworfen wird. Die Staatsanwaltschaft Osnabrück hat fünf weitere Personen aus dem Umfeld der Linkspartei angeklagt.
Die Quakenbrücker Briefwahl ist inzwischen wiederholt worden. Die FDP-Politikerin verlor Stimmen, kam aber wieder in den Rat. Aufgefallen war der Wahlbetrug, weil die Linke bei der Wahl im September 2016 auf für Westdeutschland ungewöhnlich hohe 21,5 Prozent kam. Der Großteil dieser Stimmen stammte aus der Briefwahl, wo die Partei auf 63 Prozent kam.
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