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Die Löcher auf der Tribüne

Der Hamburger SV weist im Fußballjahr 2017 eine punktereiche Heimbilanz auf. Doch immer weniger Zuschauer wollen die Spiele im Stadion sehen. Verantwortlich machen den Monat Dezember verantwortlich

Von Daniel Jovanov

Temperaturen knapp oberhalb des Gefrierpunkts und eine Mischung aus Regen, Schnee und Hagel tragen sicher nicht dazu bei, dass sich unentschlossene Fußballfans am zweiten Advent für einen Besuch im Volksparkstadion entscheiden. Andererseits: Wann hat die Hamburger das nasskalte Wetter je von irgendetwas abgehalten? Es muss andere Gründe dafür geben, warum nur 45.226 Zuschauer das „kleine Nordderby“ zwischen dem HSV und den VfL Wolfsburg sehen wollen, wo doch Platz für 57.000 ist.

Die Verantwortlichen argumentieren, dass der Kartenverkauf im Dezember schon seit Jahren schleppend läuft. Selbst das Derby gegen Werder Bremen (54.613) und die Spiele gegen Borussia Dortmund (52.962) oder RB Leipzig (50.231) waren nicht ausverkauft. Seit 2015 sind die Zuschauerzahlen im Volkspark leicht rückläufig, der Schnitt ist von 53.700 auf aktuell 51.366 gesunken. Für den Fußball, den die Fans seit Jahren geboten bekommen, ist das immer noch ein herausragend gutes Ergebnis.

Dennoch scheint der Abstiegskampf bei den Fans Spuren hinterlassen zu haben. Vor der Saison verkaufte der HSV nur knapp über 23.000 Dauerkarten. Früher wurde der Vorverkauf bei 30 000 Jahrestickets vorzeitig gestoppt. Heute ist das kaum noch vorstellbar.

Zahlen, von denen der Gegner VfL Wolfsburg nur träumen kann. Die Wölfe haben ihr relativ kleines Stadion nicht einmal in der Champions League voll bekommen. Zuletzt sammelten jedoch beide Klubs sportlich ein paar Pluspunkte, die zumindest ein enges und spannendes Duell im Abstiegskampf erhoffen ließen. Im Kalenderjahr 2017 hat der HSV neun seiner 16 Heimspiele gewonnen und lediglich vier verloren; Wolfsburg hingegen zeigte beim 3:0 gegen Borussia Mönchengladbach in der vergangenen Woche nach langer Zeit, dass dieser teuer zusammengestellte Kader zu mehr als nur ein paar Unentschieden in der Lage ist.

In Hamburg würden seine Mannschaft „viele lange Bälle“ erwarten, hatte Gäste-Trainer Martin Schmidt vorausgesagt.Damit hatte er den kompakt verteidigenden und destruktiv agierenden HSV zumindest teilweise richtig eingeschätzt. Dass Wolfsburg in 90 Minuten keinen einzigen Schuss aufs Tor abgab, lag aber eher an der Hamburger Entschlossenheit in den Zweikämpfen.

Auf Hamburgs Seite gab es zwar deutlich mehr Schussversuche, die Anzahl der Großchancen blieb trotzdem überschaubar. Die beste vergab der junge Stürmer Fiete Arp nach starker Einzelaktion in der ersten Hälfte nur knapp. Zu mehr als einem 0:0 reichte es an diesem kalten Samstagnachmittag einfach nicht. Und die ohnehin großen Lücken auf den Tribünen wurden kurz vor Schlusspfiff noch größer. Und eine Besserung ist auch nicht in Sicht: Für das anstehende Spiel gegen Eintracht Frankfurt sind bisher keine 40.000 Karten verkauft.

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