: „Rundherum ist alles grau in grau“
Biathlet Erik Lesser über Steine auf der Loipe, fehlenden „olympischen Optimismus“ und das Kreuz mit den dopenden Russen
taz: Herr Lesser, vor vier Jahren haben Sie olympisches Silber im Einzel geholt. Ihre Lieblingsdisziplin?
Erik Lesser: Das Einzel gehört schon irgendwie zu meinen Lieblingsrennen. Da kann einfach alles passieren: Du kannst einen richtig beschissenen Tag im Laufen erwischen. Trotzdem hat das Einzel seinen Reiz.
Gefällt Ihnen dieser alljährliche Saisonauftakt in Östersund, die Strecke und das ganze Ambiente denn?
Das Gute ist: Du weißt, was du hast. Aber das Schlechte ist: Du weißt, was du hast.
Weil?
Da spielen viele Faktoren eine Rolle. Die Strecke ist meistens nicht gut hergerichtet, was nicht an den Organisatoren liegt, sondern einfach an den Schneeverhältnissen. Oftmals ruiniert man sich seine Ski, weil so viele Steine auf der Strecke liegen. Rundherum ist alles grau in grau, da gibt’s auch meist keinen Schnee.
Anfang März waren Sie bei der olympischen Generalprobe in Pyeongchang. Was sind Ihre Erwartungen an die Winterspiele?
Südkorea gilt ja nicht gerade als Mekka des Biathlonsports. Deshalb habe ich auch keinerlei Erwartungen, dass es krass wird. Ich hoffe, dass wenigstens ein bisschen Stimmung aufkommt. Die Gesamtsituation, also dass die Spiele in Pyeongchang sind, stellt mich nicht ganz zufrieden. Aber Peking in vier Jahren ist jetzt auch nicht so aussichtsreich.
Das klingt desillusioniert.
Der olympische Optimismus ist ein bisschen flöten gegangen.
Vermutlich auch, weil die Dopingdiskussionen rund ums russische Team nicht abreißen. Wie nehmen Sie das wahr?
Ich denke, die Situation ist zerfahren. Den ganzen Sommer über hat man über diese Wintersportproblematik mit Doping und Sotschi 2014 fast nichts gehört. Jetzt plötzlich keimt es wieder auf. Ich hoffe, dass das IOC, die Wada und die internationalen Verbände die Situation im Griff haben, richtige und vernünftige Schlüsse ziehen, um das Dopingproblem nachhaltig zu lösen.
Müsste Russland Ihrer Meinung nach von den Winterspielen ausgeschlossen werden?
Wenn die Fakten dafür sprechen, dass es tatsächlich einen großen Betrug an der internationalen Gemeinschaft bei Olympia gegeben hat, sollte man auf alle Fälle darüber nachdenken, eine Mannschaft komplett zu sperren. Sich auf der Nase rumtanzen lassen – das will ja eigentlich keiner. Deshalb sollte man erstens rigoros durchgreifen. Und zweitens die betreffende Nation – egal, welche das ist – so bestrafen, dass es wirklich wehtut. Weil es wahrscheinlich der einzige Weg ist, die Leute wachzurütteln.
Wie ist Ihr Gefühl dabei?
Das ist natürlich miserabel. Wenn du als sauberer Sportler denkst, es ist alles supertoll und Sonnenschein, musst dich dann aber damit auseinandersetzen, dass rundherum eventuell betrogen wird, ist das natürlich furchtbar.
Russland hat ja bei der letzten WM Alexander Loginow, einen überführten Dopingsünder, in der Mixed-Staffel eingesetzt.
Ja, er hatte seine Strafe zwar gerade verbüßt, aber dennoch bleibt ein komisches Gefühl. Er hat dann ja sogar Bronze mit der Mixed-Staffel geholt.
Das zeigt die nicht vorhandene Sensibilität für diese Problematik.
Ja, die existiert anscheinend nicht. Die russische Tennisspielerin Maria Scharapowa ist ja auch positiv getestet worden. Und jetzt wird sie medial wieder gefeiert. Dabei ist auch sie eine Dopingsünderin, die vorsätzlich andere Sportler betrogen hat. Da herrscht in der öffentlichen Meinung ein Zwiespalt. Bei dem einen fragt man: Wieso kann der nach einer zweijährigen Sperre noch so mitlaufen? Bei der anderen wiederum ist es völlig normal und total super, dass sie jetzt wieder dabei ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen