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Heimweh wird zum Problem

Dem Autor Adil Yiğit droht die Abschiebung

Von Kai von Appen

Eine Fehleinschätzung und völlige Überrumpelung, anders kann man den Fall von Ertugrul „Adil“ Yiğit nicht beschreiben. Mehr als 35 Jahre lebt der Journalist türkischer Herkunft und taz-Autor in Hamburg, jetzt droht ihm das Bezirksamt Hamburg-Mitte mit der Abschiebung.

Als Grund wird angegeben, dass die „familiäre Lebensgemeinschaft“ mit seinen beiden minderjährigen deutschen Kindern nicht mehr bestehe, da diese zurzeit bei der Mutter in der Türkei lebten. Als weiteren Grund fügt die Ausländerabteilung an, Yiğit sei „nicht erwerbstätig“. Doch seit dem 23. November befindet er sich in einer sechsmonatigen Maßnahme des Jobcenters, um sozialpädagogische Kenntnissen aufzufrischen. „Den Bescheid darüber habe ich der Sachbearbeiterin gezeigt, das hat sie aber nicht interessiert“, berichtet Yiğit. Er war bereits in den 1980er-Jahren als Sozialarbeiter und Jugendbetreuer für die Hamburger Sozialbehörde tätig.

Das Ganze sei „eine politische Entscheidung“, ist Yiğit überzeugt. Dem Journalisten, der das regimekritische Online-Medium „Avrupa Postasi“ betreibt, war beim G20-Gipfel in Hamburg trotz Akkreditierung die Zugangsberechtigung zum Bundespressezentrum entzogen worden. Yiğit vermutet, auf Druck des türkischen Geheimdienstes MIT. Dieser Ausschluss sorgte bundesweit für Schlagzeilen. „Dafür soll ich jetzt bestraft werden“, so der 58-Jährige.

Adil Yiğit, einst Aktivist der militanten marxistisch-sozialistischen Organisation „Devrimci Sol“ („Revolutionäre Linke“), war 1978 nach Frankreich geflohen und ist dort als politischer Flüchtling anerkannt. Nun erklärte die Hamburger Ausländerbehörde, dass das Prozedere der alle zwei Jahre stattfindenden Frankreich-Reisen zur Verlängerung der Asylbescheinigung überflüssig sei.

Im Jahr 2013 beging Yiğit einen Fehler: Er gab seinen Flüchtlingspass ab und beantragte einen türkischen. „Irgendwann will man zurück, nicht nur für kurze, illegale Besuche mit falschen Papieren“, konstatiert Yiğit. Doch momentan kommt für ihn eine Rückkehr in die Türkei unter den aktuellen Bedingungen einem Gang in den Hochsicherheitstrakt gleich. Erst Ende vergangenen Jahres war Yiğit in Hamburg Ziel einer MIT-Operation geworden, die sich auf seine Kontakte zu türkischen Kurden richtete.

Adil Yiğit hatte bis Anfang der Woche Zeit, zu dem Ansinnen des Bezirksamtes Stellung zu nehmen. Er lässt sich inzwischen durch den Hamburger Anwalt Michael Spielhoff vertreten. Die Sprecherin des Bezirksamts Hamburg-Mitte, Sorina Weiland, kann sich aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht zum Fall äußern. Sie deutet allerdings durch die Blume an, dass die letzte Entscheidung ja noch nicht gefallen sei.

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