piwik no script img

Proteste gegen Trump

Israel verstärkt aus Sorge vor Unruhen seine Militärpräsenz im Westjordanland. Tausende Palästinenser sind auf den Straßen und verbrennen Fahnen, in Ramallah wird gestreikt

Aus Jerusalem Susanne Knaul

„Jerusalem ist eine arabische Stadt“ und „Gott ist groß“, rufen Hunderte Palästinenser vor dem Damaskustor zu der Altstadt Jerusalems, das streng bewacht ist von israelischen Grenzpolizisten. Einen Tag nach der Erklärung von US-Präsident Donald Trump zur Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels rief die Palästinensische Autonomiebehörde in Ramallah zu einem Streik auf.

Tausende Menschen zogen auf die Straßen. In Tulkarem und Nablus im Westjordanland brannten Plakate mit dem Bild des US-Präsidenten und US-amerikanische Flaggen. Aus Sorge vor einer Eskalation der Unruhen hatte die israelische Armee zuvor ihre Truppen verstärkt.

Im Grenzgebiet zum Gazastreifen, in Bethlehem und in der Nähe von Ramallah wurden bei Zusammenstößen mit Soldaten mehrere Menschen verletzt. Maskierte Demonstranten warfen Steine auf die Militärs und steckten Autoreifen in Brand. Die Armee reagierte mit Rauch- und Schreckbomben, um die wütende Kundgebung aufzulösen, und setzte Gummigeschosse ein.

Trotz der massiven Warnungen, die Trump im Vorfeld seiner Erklärung aus Europa, aus der arabischen Welt und nicht zuletzt von den Palästinensern erreichten, blieb der US-Präsident hartnäckig. „Ich bin zu der Erkenntnis gelangt, dass es Zeit ist, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen“, erklärte er am Mittwochabend. Jerusalem sei „die Heimat des israelischen Parlaments, der Knesset, und des Obersten Gerichtshofs“.

Für die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) disqualifizierte sich Trump damit als Friedensvermittler. Saeb Erekat, Chefunterhändler der PLO, erklärte den Prozess, der eine Zweistaatenlösung für Israelis und Palästinenser zum Ziel hat, für tot.

„Jetzt ist die Zeit gekommen, für eine Einstaatenlösung zu kämpfen, mit gleichen Rechten für alle“, sagte Erekat. Ein gemeinsamer Staat für Israel und die Palästinenser würde jedoch auf absehbare Zeit das Ende des Judenstaates bedeuten. Für eine deutliche Mehrheit der Israelis wäre dies undenkbar. Letztendlich nahm die Regierung des ermordeten Sozialdemokraten Yitzhak Rabin 1993 den Friedensprozess mit genau der Prämisse auf, Israel als „kleinen, aber jüdischen Staat“ zu erhalten.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu frohlockte im Anschluss an Trumps Rede über die „historische“ Entscheidung. Er appellierte an andere Staaten, „dem Vorbild der USA zu folgen und ihre Botschaften nach Jerusalem zu verlegen“. Trump hatte in seiner Rede angekündigt, die Vorbereitungen zum Umzug der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem „umgehend aufzunehmen“.

Ismail Hanija, Chef des Hamas-Politbüros im Gazastreifen, erklärte den heutigen Freitag zum „Tag des Zorns“. Die Entscheidung der USA, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, sei „eine Kriegserklärung an die Palästinenser“.

Vor allem in der Altstadt von Jerusalem dürfte im Anschluss an das freitägliche Mittagsgebet auf dem Tempelberg mit Ausschreitungen zu rechnen sein. „Angesichts des zionistischen Feindes“, so meinte Hanija, „sollten wir eine Intifada beginnen.“ Aus der Perspektive des Hamas-Politikers ist „das vereinte Jerusalem Hauptstadt unseres künftigen Staates“.

In Gaza setzten unterdessen Vertreter der Hamas und der Fatah ihre Beratungen zur Übergabe der Verwaltung fort. Schon vor einer Woche hätten Beamte der Palästinensischen Autonomiebehörde an ihre alten Arbeitsplätze zurückkehren sollen, wurden jedoch von der Hamas daran gehindert.

Regierungschef Rami Hamdallah, der selbst nach Gaza reiste, um eine Lösung voranzutreiben, verurteilte die Erklärung Donald Trumps, die Wasser auf den Mühlen des Konflikts mit Israel sei. Gerade jetzt sei die nationale Wiedervereinigung der Palästinenser von strategischer Bedeutung, um die „Unerschütterlichkeit der Palästinenser, vor allem in Gaza und in Jerusalem“ zu stärken.

Das Frohlocken Netanjahus nach der Rede von Trump dürfte nicht allen in Washington gefallen haben. Denn die USA sind besorgt angesichts möglicher euphorischer öffentlicher Reaktionen israelischer Politiker sowie der Mitarbeiter israelischer Botschaften. Die Trump-Regierung befürchtet Drohungen gegen US-Einrichtungen und US-amerikanische Staatsbürger.

Saeb Erekat, PLO-Unterhändler, erklärt die Zweistaaten­lösung für tot

Daher hat die US-Regierung die israelische Regierung darum gebeten, sich im Hinblick auf die Anerkennung von Jerusalem als Hauptstadt Israels zurückhaltend zu zeigen.

Das geht aus einem Dokument des US-Außenministeriums vom 6. Dezember hervor, also dem Tag, an dem Präsident Trump offiziell Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannte. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters, die das Dokument einsehen konnte, wird darin den Mitarbeitern der US-Botschaft in Tel Aviv nahe gelegt, den US-amerikanischen Standpunkt gegenüber offiziellen israelischen Gesprächspartnern zur Sprache zu bringen. Das Dokument richtet sich auch an die Mitarbeiter der israelischen Botschaften in europäischen Hauptstädten.

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sagte am Donnerstag, die Europäische Union werde künftig noch stärker auf die Konfliktparteien und die regionalen und internationalen Partner zugehen. Man bleibe überzeugt davon, dass den USA bei der Wiederbelebung des Friedensprozesses eine entscheidende Rolle zukomme.

In dem an die europäischen Regierungen gerichteten US-Dokument heißt es in diesem Zusammenhang: „Sie wissen, dass dies eine einzigartige Regierung ist. Sie unternimmt mutige Schritte. Aber es sind auch mutige Schritte, die notwendig sein werden, damit Friedensbemühungen endlich zum Erfolg führen.“

Trump hatte nach seinem Wahlsieg sowohl die Jerusalem-Entscheidung als auch neue Friedensgespräche zwischen Israelis und Palästinensern angekündigt. Derzeit reist Jason Greenblatt, der US-Sonderbeauftragte für internationale Verhandlungen, durch die Region. In ähnlicher Mission ist Jared Kushner, der Schwiegersohn Trumps, unterwegs. Mitarbeit Beate Seel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen