heute in bremen: „Sie haben den Hass weitergegeben“
Interview Dominik Koos
taz: Frau Röhl, welchen Einfluss hat die nationalsozialistische Erziehung auf unsere Gesellschaft?
Anja Röhl: Die Generation der sogenannten Führerkinder hat in der bundesrepublikanischen Geschichte, aber auch in der DDR eine entscheidende Rolle gespielt. Die Generation, die im Faschismus sozialisiert wurde, ist heute ungefähr 90 Jahre alt. Das sind die Kinder und Jugendlichen, von denen Hitler in „Mein Kampf“ geschrieben hat, dass sie „nicht mehr frei werden sollten, ihr ganzes Leben lang“. Während der Einfluss der Tätergeneration viel thematisiert wurde, bleibt das Wirken und das Trauma der Nazikinder verborgen.
Was macht „nationalsozialistische“ Erziehung aus?
Das Erziehungsideal der Nationalsozialisten ist ohne den historischen Vorläufer der Wilhelminischen Erziehung nicht denkbar. Darin stellt der Vater den Unterdrücker dar. Ihm war alles untergeordnet. Er hat geprügelt und überwacht. Doch das Kind hatte eine zwar schwache, aber auch weiche Mutter zum Trost.
Und die schwache Mutterrolle wurde später umdefiniert?
In der nationalsozialistischen Erziehung wurde die „kalte Mutter“ propagiert. Auch die Mutter sollte hart sein, beim Stillen keinen Blickkontakt aufnehmen. Wenn Kinder schreien, sollten sie in ein anderes Zimmer gelegt werden. Durch die Schule und die Zwangs-HJ ab dem zehnten Lebensjahr wurde sichergestellt, dass das Erziehungsideal flächendeckend in Kraft gesetzt wurden. So wurden systematisch psychiatrische Krankheiten erzeugt.
Vortrag „Schatten der Vergangenheit“, 19 Uhr, Kukoon, Buntentorsteinweg 29
Ist die Erziehung nach nationalsozialistischem Ideal nach der Befreiung verschwunden?
Die späteren Eltern haben nie gelernt, Beziehungen zu führen. Diese Generation hat es schwer gehabt, ihre Erziehung zu reflektieren. Viele, auch meine Eltern, haben den Hass, den sie unter Hitler gelernt haben, an ihre Kinder weitergegeben.
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