: Der Masse richtig Futter geben
OMD im ausverkauften Huxley’s in Neukölln, das war die samstagabendliche Schlagershow, nur eben mit englischen Texten
von René Hamann
Cool waren OMD noch nie. Gerade im Vergleich zu den anderen englischen Pionieren des Elektropop schnitten die Londoner immer etwas schlechter ab. OMD waren nie so düster und kühl wie New Order, nie so erfolgreich wie Depeche Mode und nie so stylish und politisch wie Human League oder Heaven 17. Den avantgardistischen Ansatz, den ihr Elektropop vor allem am Anfang ja durchaus hatte, haben OMD schnell und ziemlich konsequent in eine Radiotauglichkeit übersetzt, die mit den Jahren immer penetranter wurde.
Dennoch zählen die Orchestral Manoeuvres in the Dark (so der vollständige Name ihres bereits 1978 gegründeten Projekts) natürlich immer noch zu den Pionieren des Genres – wie viel sie zum Beispiel von Kraftwerk gelernt haben und auch wissen, wie und wozu auf Ibiza getanzt wurde und immer noch wird, kann man auch im Jahr 2017 hören. So auch am Mittwochabend im ausverkauften Huxley’s in Neukölln, wo sie zum ersten Mal seit 1993 wieder gastierten und nach dem Motto „Neue Lieder, alte Lieder, tanzen!“ ihr inzwischen 13. Studioalbum „The Punishment of Luxury“ vorstellten.
Dennoch: Auch an diesem Abend boten OMD in der Hauptsache Unterhaltung für den gehobenen Mittelstand. Auch wenn sich der Rezensent gefreut hat, auf einem Konzert den Altersdurchschnitt endlich mal wieder eher nach unten zu korrigieren, muss festgehalten werden: Selten so ein unattraktives Publikum erlebt. Klar, das ist eine voll altersdiskriminierende Bemerkung. Aber diese vielleicht gerade noch schwarz (im Sinne von gruftig) angehauchte Mittelschicht, die sich auch gern zu Mitklatschnummern anregen ließ, wirkte eben alles andere als avantgardeorientiert, als stylish, als popgemäß in einem künstlerisch-ästhetischen Sinn. Andererseits überraschend, wie textsicher die meisten sogar bei irgendwann in den Neunzigern durchgerauschten Hits waren.
Und OMD gaben der Masse Futter. In den schlimmen Momenten hatte das Konzert so durchaus etwas von Animation zur Aquagymnastik. Trotz der lustig Ian-Curtis-ähnlichen Verrenkungen von Sänger Andy McCluskey und einer insgesamt eher kumpaneihaften Performance seiner drei Mitstreiter in Fast-Urbesetzung war das alles nicht mehr weit von samstagabendlichen Schlagershows entfernt; nur eben mit englischen Texten. Die Bassdrum bollerte wie in der Kirmesdisko, das Liveschlagzeug war penetrant nach vorn gemischt wie sonst nur im Stadion, die Synthies hatten zu oft diese hohen, alles zuschmierenden Obertöne, und McCluskey gab den Hampelmann.
Sicher haben eingängige Hits wie „So in Love“ oder „(Forever) Live and Die“ Charme. Und von solchen Hits haben OMD mehr als reichlich. Den Höhepunkt ihres insgesamt okayen Auftritts bildeten aber natürlich die Stücke, die als einsame Klassiker Radio und Kunst im besten Sinn miteinander versöhnen können: Das immergrüne „Maid of Orleans“ (1982 eine deutsche Nummer 1) und das nicht minder ewig tolle „Enola Gay“, eine Anti-Atomwaffen-Nummer von 1981.
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