: Zählen, ohne zu stolpern
Konzentration der Experimentalkräfte zwischen Freejazz, Rock und Lärm: Trevor Dunn, Balázs Pándi und mOck spielten am Montagabend in unterschiedlichen Line-ups im Acker Stadt Palast
Von Thomas Mauch
Ein Schlagzeug und ein Bass. Das reicht. Tat es jedenfalls im Acker Stadt Palast. Wobei sich an diesem Montagabend in dem Experimentierraum in der Ackerstraße mit Trevor Dunn und Balázs Pándi eben nicht nur zwei Rhythmusknechte fanden. Da ballte sich eine außergewöhnliche musikalische Kompetenz.
Trevor Dunn kennt man als musikalischen Partner von Mike Patton. Als Mr. Bungle machten sie Avantgarderock als eine Art Fortsetzung von Frank Zappa, der bei der Jazzcore-Supergroup Fantômas noch einmal durch den Häcksler getrieben wird. Dazu arbeitete Dunn mit den Melvins und John Zorn. Der US-amerikanische Bassist kann also gut mit Heavy Metal und freiem Jazz – und das durchaus auch gleichzeitig. An noch etwas entlegeneren Rändern des Musikbetriebs ist Balázs Pándi unterwegs. Der ungarische Schlagzeuger hat viel mit dem japanischen Noise-Aktivisten Merzbow (Masami Akita) zusammen gemacht. Neben der freien Improvisation ist er auch Grindcore oder tiefschwarzem Metal nicht abgeneigt.
Vor dem Auftritt der beiden durfte man zuerst aber mOck hören mit einem von Tortoise beeinflussten Zwirbelrock. Und den hat das Berliner Trio durchaus auch als Versuchsanordnung mit der Frage angelegt, wie komplex es beim Taktzählen zugehen darf, ohne gleich ins Stolpern zu kommen. Diese mathematische Aufgabe lösten die Musiker dabei tatsächlich in einer angenehmen Geschmeidigkeit. Wenn dazu noch in einem milden Tonfall gesungen wurde, erinnerte das an The Sea and Cake, der neben Tortoise anderen großen Band aus Chicago.
Danach demonstrierte Trevor Dunn in einer ausgiebigen Soloexkursion am Kontrabass, dass der halt auch als gar nicht sonderlich behäbiges oder gar tapsiges Melodieinstrument taugt.
Balázs Pándi stieß dazu und entfachte gelassen ein nervös zuckendes und sich dabei doch stets rundendes Spiel an seinem Schlagzeug. Alle Formfindungen im Moment. Free Jazz. Mit Trevor Dunns Wechsel zum E-Bass drängte der schließlich mächtig in Richtung eines Freiform-Rocks.
In eher kurzen und kompakt gehaltenen Stücken metzelten die beiden Speed-Metal, konzentrierten sich nach so einem Höher-schnellerwWeiter wieder auf ein Weniger an Tönen, zogen erneut das Tempo an und zerschredderten dabei mit Wucht und Schmackes auch alle eventuellen Überlegungen, ob man hier nicht doch noch gern eine Gitarre, ein Saxofon oder sonst ein Melodieinstrument hätte, um dieses Power-Duo zu einem Power-Trio aufzustocken.
Aber das wären dann nur wieder die alten Herr-und-Knecht-Verhältnisse. Schlagzeug und Bass als die musikalischen Wasserträger, während sich das Melodieinstrument in den Vordergrund spielt.
So aber, wo mal was fehlte, das gar nicht fehlte, war es ein ganz besonderer Spaß. Schlagzeug. Bass. Reicht gut.
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