Nachteile der virtuellen Währung: Bitcoin verbraucht zu viel Strom
Die Algorithmen der Kryptowährung benötigen zu viel Energie. Dabei gibt es längst Konkurrenten, die erheblich effizienter sind.
Die virtuelle Währung Bitcoin gerät zunehmend wegen ihres Stromverbrauchs in die Kritik. Denn das Zahlungsmittel nutzt sehr aufwendige Algorithmen, die nur von Hochleistungsrechnern bewältigt werden können.
Bitcoin ist mit einem Marktanteil von 79 Prozent die bedeutendste unter den Kryptowährungen. Kryptografie ist die Wissenschaft der Verschlüsselung von Informationen. Anders als normale Währungen wird dieses Zahlungsmittel nicht von einer Zentralbank ausgegeben, sondern von den Teilnehmern selbst.
Sie wachen auch im Kollektiv darüber, dass jeder Bitcoin nur einmal ausgegeben wird. Daher müssen alle Transaktionen durch die Teilnehmer des Netzwerks bestätigt werden, was Manipulationen auch ohne zentrale Autorität verhindern soll. Die Liste der Datensätze, die dezentral auf allen Rechnern im Netzwerk liegt, wird Blockchain genannt.
Der enorme Stromverbrauch liegt bei Bitcoin im System begründet. Wer Transaktionen validieren will, muss zuvor komplizierte kryptografische Aufgaben lösen. Dieser hohe Aufwand soll sicherstellen, dass sich niemand eine Vielzahl an Identitäten zulegen und damit das Netzwerk unter seine Kontrolle bringen kann.
Das Netzwerk von Visa verbraucht weniger Energie
Nach aktuellen Schätzungen des deutschen Digitalverbandes Bitkom verbraucht das Generieren eines einzigen Bitcoins zwischen 7.000 und 36.000 Kilowattstunden. Diese Strommenge würde ausreichen, um zwei bis zehn Durchschnittshaushalte in Deutschland ein Jahr lang zu versorgen.
Den weltweiten Stromverbrauch beim Schöpfen von Bitcoins beziffert das Portal Digiconomist aktuell auf mehr als 27 Milliarden Kilowattstunden im Jahr. Das entspricht fünf Prozent des Jahresverbrauchs in Deutschland oder 0,12 Prozent des weltweiten Verbrauchs. Das Kreditkarten-Netzwerk Visa verbraucht laut Digiconomist nur ein Fünfzigstel der Energie des Bitcoin-Systems – beim 300-fachen an jährlichen Transaktionen.
Je höher der Kurs des Bitcoins steigt, umso höher wird – von der ökonomischen Theorie her betrachtet – auch der Stromverbrauch. Denn die Produktion der Coins ist eine Art Wettbewerbsmarkt: Sie lohnt sich, so lange die Kosten des Rechenaufwandes, die Grenzkosten, niedriger sind als der Wert des erzeugten Produktes.
Und da die Grenzkosten fast ausschließlich auf Stromkosten basieren, lohnt sich bei derzeitigen Bitcoin-Preisen um 6.000 Euro das sogenannte Mining, solange der verbrauchte Strom pro erzeugter Geldeinheit weniger als diesen Betrag kostet.
Andere Verfahren werden längst praktiziert
Entsprechend findet die Schöpfung von Bitcoins vor allem in Ländern mit niedrigen Strompreisen statt. „40 bis 50 Prozent der Miner sitzen in China, wo Strom sehr billig ist und teilweise subventioniert wird“, sagt Wolf Posdorfer, Informatiker an der Universität Hamburg.
Zwar schlägt der Stromverbrauch bei Übertragung eines Bitcoins von einem Käufer an einen Zahlungsempfänger weniger zu Buche als das Mining. Doch Informatiker kalkulieren gerne den Wert, der sich ergibt, wenn man den Stromverbrauch des gesamten Bitcoin-Netzwerks auf die einzelne Transaktion umlegt.
Marco Liesenjohann, Bitkom-Referent für Blockchain, beziffert diesen auf 50 bis 250 Kilowattstunden – so viel wie ein durchschnittlicher Haushalt im Zeitraum zwischen einer Woche und einem Monat verbraucht.
Doch es gibt Alternativen. Während Bitcoin ein Proof-of-Work-Verfahren nutzt, das – wie der Name sagt – die Transaktionen durch schiere Rechenarbeit validiert, werden auch andere Verfahren schon praktiziert. Proof-of-Stake ist eines davon. „Dieses benötigt keine energieintensiven Rechenoperationen“, erklärt Bitkom-Experte Liesenjohann.
Durch Alternativen ließe sich auch die Leistung steigern
Denn hierbei bestimmt nicht die Rechenleistung der Akteure ihre Macht im System, sondern die Menge der jeweils in ihrem Besitz befindlichen Coins. Nach diesem Verfahren arbeiten zum Beispiel die Währungen Stratis, Diamond, BlackCoin, PivX, NxT und Reddcoin. Proof-of-Work nutzen neben Bitcoin auch Litecoin, Monero und Dash. Ethereum (die Kryptowährung heißt es Ether), einst mit einem reinen Proof-of-Work-Protokoll gestartet, setzt inzwischen auf eine Hybridvariante.
Informatiker Posdorfer hält es „aus ökonomischer, wie aus informationstechnischer Sicht“ für sinnvoll, vom Proof-of-Work-Protokoll wegzukommen. Denn nicht nur aus Gründen der Energieeffizienz gebe es bessere Verfahren: Mit Proof-of-Stake könnten wesentlich mehr Transaktionen pro Sekunde getätigt werden.
Eine weitere Alternative stammt vom Horst-Görtz-Institut für IT-Sicherheit an der Ruhr-Universität Bochum. Die Forscher haben gemeinsam mit Partnern das Proof-of-Space-Rätsel entwickelt, das auf Speicherplatz anstatt auf Rechenleistung basiert und damit ebenfalls energiesparender ist als das heutige Bitcoin-System.
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