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„Pjöngjang“ beim VFL

Beim VfL Osnabrück läuft es nicht gut. Doch trotz Millionen-Verlust stehen kurz vor der Jahreshauptversammlung alle Zeichen auf „Weiter so“. Einige Fans kritisieren das heftig

Nicht jeder darf: Der Ausschuss für die Wahl des Vereinspräsidenten hat die meisten Bewerber abgelehnt Foto: Friso Gentsch/dpa

Von Thomas Wübker

Es läuft gerade nicht berauschend beim VfL Osnabrück. Der Verein steht im Abstiegskampf der Dritten Liga. Das laufende Geschäftsjahr wird, wie in den vergangenen Jahren auch, mit einem Minus abgeschlossen. Dieses Mal sind es 1,3 Millionen Euro, wie der Verein am Samstag bekannt gab.

In der Jahreshauptversammlung kommenden Sonntag soll ein neuer Präsident gewählt werden. Es steht nur ein Kandidat zur Wahl: Manfred Hülsmann, ehemaliger Vorstand der Osnabrücker Stadtwerke. Er wird den Posten bekommen, weil andere Bewerber vom Wahlausschuss abgelehnt wurden.

Einer, der sich zur Präsidentenwahl aufstellen lassen wollte, ist der Kabarettist Kalla Wefel. Der 66-Jährige ist Sohn des langjährigen Vereinsarztes Karl Wefel und hat mit Co-Autor Peter von Voss das Buch „111 Gründe, den VfL Osnabrück zu lieben“ verfasst. Seine Liebe zum Verein ist mittlerweile erkaltet. Wefel wollte Demokratie und Transparenz einführen, Klüngel abschaffen, externe Fachkompetenz im sportlichen und wirtschaftlichen Bereich einholen und für „terre des hommes“ auf den Trikots werben. Doch Wefel wurde vom Wahlausschuss abgelehnt. Dieser hat von ihm verlangt, ein polizeiliches Führungszeugnis vorzulegen. Als Wefel das Gleiche von den Mitgliedern des Wahlausschusses verlangte, lehnten diese ab. Das war das Ende des Bewerbungsgesprächs.

Wefel ist vor allem erzürnt über Ralf Wöstmann, Vorsitzender des Wahlausschusses. Der hatte vor acht Jahren den Rechtsanwalt Eberhard Frohnecke zur Wahl des Vize-Präsidenten vorgeschlagen. Wefel wirft Fohn­ecke vor, er sei Fan der rechtsradikalen „Identitären Bewegung“, mahne vor der „Verschwulung Deutschlands“ und dem Aussterben der deutschen Rasse. Frohnecke ist Sponsor des VfL und hält seit 2009 die Markenrechte des VfL.

Einige Fans würden es begrüßen, wenn sich der VfL klar und deutlich von Frohnecke distanzieren würde. „Er ist ein geistiger Brandstifter“, sagt Bodo Nienhoff. Der 46-Jährige geht seit den 90ern zum VfL und hat sich vor drei Jahren für das Amt des Vize-Präsidenten beworben. „In der Satzung steht: Kein Rassismus“, sagt Nienhoff. Er hofft nun, dass das VfL-Mitglied Frohnecke auf der Jahreshauptversammlung aus dem Verein geschmissen wird.

Die Kritik von Kalla Wefel am VfL geht noch weiter. Er findet es befremdlich, dass VfL-Geschäftsführer Jürgen Wehlend im Wahlausschuss sitzt. „Er befindet selbst darüber, wer sein zukünftiger Chef ist“, so Wefel. Wehlend hat sich vor Kurzem aus dem Ausschuss zurückgezogen. Einfluss auf die Wahl am Sonntag hat das nicht mehr, da die Bewerbungsperiode abgeschlossen ist.

Der Eindruck entsteht, dass der VfL sich abschottet, nur diejenigen mit ins Boot holt, die ihm zupass kommen. „Im Kern herrscht dort eine Wagenburg-Mentalität, es ist ein Altherren-Club“, kritisiert Nienhoff. Ihm fehle die Einflussnahme von außen, sagt er.

„Im Kern herrscht eine Wagenburg-Mentalität, es ist ein Altherren-Club“

VfL-Fan Bodo Nienhoff

Mittlerweile scheint vor allem die Stadt Osnabrück, die dem Verein mit mehreren Finanz-Jonglagen das Überleben gesichert hat, das Sagen zu haben. Der Präsidentschaftskandidat Hülsmann hat seit mehr als fünf Jahren im Beirat und im Aufsichtsrat des VfL die Möglichkeit gehabt, die Geschicke des Vereins mitzubestimmen, Wehlend ist ehemaliger Manager der mittlerweile aufgelösten Stadtwerke-Tochter Osnatel. Und nun hat sich auch der Oberbürgermeister von Osnabrück, Wolfgang Griesert, in den Wahlkampf beim VfL eingeschaltet. Er befürwortet auf Facebook die Wahl von Hülsmann zum VfL-Präsidenten. Dafür erntete er heftige Kritik. Im NDR-Radio sagte Kalla Wefel, der mit dem Verein inzwischen gebrochen hat, das sei ihm zu viel „Pjöngjang“.

Es gibt VfL-Fans, denen das alles gleichgültig ist. Andere, die sich engagieren wollen, wenden sich vom Verein ab. Am Sonntag soll jemand den Antrag stellen, die Wahl zu verschieben, heißt es aus Fankreisen.

Bodo Nienhoff vergleicht den VfL mit einem totkranken Patienten. „Man liebt ihn, will sich aber das Siechtum nicht mehr ansehen.“ Das Wort „Insolvenz“ macht unter den Anhängern des Vereins die Runde. Viele sehen darin den einzigen Weg, die Ausgliederung der Profi-Abteilung in eine GmbH & Co. KGaA rückgängig zu machen. „Man ist dann frei von Fesseln“, sagt Nienhoff.

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