Anklage gegenKZ-Wachmänner

Steht ein neuer NS-Prozess bevor? Zwei Männer sollen sich wegen Beihilfe zum Mord verantworten

Die Staatsanwaltschaft Dortmund hat gegen zwei 93 und 92 Jahre alte Männer Anklage wegen Beihilfe zum Mord in mehreren hundert Fällen im Konzentrationslager Stutthof bei Danzig erhoben. Beide Beschuldigte haben eingeräumt, in Stutthof als Wachmänner eingesetzt gewesen zu sein. Sie bestreiten aber, sich an Tötungshandlungen beteiligt zu haben. Über die Zulassung der Anklage entscheidet demnächst das Amtsgericht Münster.

Die Anklageerhebungen durch die Zentralstelle für nationalsozialistische Massenverbrechen in Nordrhein-Westfalen sind Ergebnis von Ermittlungen der Nazi-Verfolger in Ludwigsburg. Dort hatte Oberstaatsanwalt Jens Rommel von der Zentralen Stelle für Ermittlungen gegen NS-Verbrechen Ende letzten Jahres die Vorermittlungen gegen 12 mutmaßliche NS-Täter abgeschlossen und an die zuständigen Staatsanwaltschaften weitergeleitet.

Bei den meisten Fällen geht es um Verbrechen im KZ Stutthof. Das seit 1939 bestehende KZ wandelte sich um 1944 durch den Bau von Gaskammern und Verbrennungsöfen zu einem Vernichtungslager. Die Dortmunder Anklage richtet sich gegen einen heute 93-jährigen ehemaligen SS-Sturmmann, dem vorgeworfen wird, zwischen 1942 und September 1944 das Lager sowie Außenkommandos bewacht zu haben. Der zweite Beschuldigte soll 1944 und 1945 als SS-Sturmmann in Stutthof eingesetzt gewesen sein.

Die Anklage wirft beiden vor, durch ihre Tätigkeit zu Tötungshandlungen beigetragen zu haben. Oberstaatsanwalt Andreas Brendel von der Anklagevertretung sagte der taz, er gehe von einem „einheitlichen Tatgeschehen“ in Stutthof aus. Er kann sich dabei auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs stützen, nach der eine individuelle Tat, begangen in einem KZ, nicht unbedingt für eine Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord notwendig ist. Ob es in Münster zu einem Prozess kommen wird, dürfte auch davon abhängig sein, ob die beiden Angeklagten verhandlungsfähig sind. Dazu sagte Brendel, beide hätte auf ihn während zweier Hausdurchsuchungen den Eindruck gemacht, rüstig genug für einen Prozess zu sein. Klaus Hillenbrand