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„In der Mitte ist es recht eng“

Die baden-württembergische SPD-Landeschefin fragt sich, wo die Frauen bleiben

Foto: SPD

Leni Brey­maier, 57, ist SPD-Landesvorsitzende in Baden-Württemberg und Bundestags­abgeordnete.

Interview Ulrich Schulte

taz: Frau Breymaier, Martin Schulz kritisiert den Neoliberalismus und fordert, die SPD müsse ihre eigene Politik der letzten zwanzig Jahre hinterfragen. Zu Recht?

Leni Breymaier: Ich finde seinen Ansatz richtig. Die SPD muss gegen die Auswüchse des freien Marktes kämpfen. Die neoliberale Lehre ist in Deutschland ja zum Allgemeingut geworden. Ihre Verfechter haben Geld ohne Ende, um sie zu verbreiten. Jüngst hat das Bankhaus Metzler in einer großen Sonntagszeitung eine ganzseitige Anzeige geschaltet – und von einer Jamaika-Koalition mehr Engagement für Aktien zur Sicherung der Rente gefordert. Wer heute Kapitalismuskritik fordert, wird verspottet. So geht es nicht.

Manche SPDler sagen, der Fokus auf Gerechtigkeit reiche nicht. Dafür gehe es den Deutschen zu gut.

Gerechtigkeit ist nicht das falsche Thema. Solche Thesen halte ich für dummes Zeug. Jedes Politikfeld lässt sich auf Gerechtigkeit runterbrechen, das ist der historische Auftrag der SPD. Ob es um bezahlbare Wohnungen geht, um die Altersvorsorge oder um die Digitalisierung, die alle Menschen betrifft.

Olaf Scholz fordert einen Mindestlohn von 12 Euro. Damit alle, die ihn beziehen, im Alter nicht auf Hilfen angewiesen sind. Das müsste Sie freuen, oder?

Jeder muss vom Ertrag seiner Arbeit gut leben können. Das gilt auch für den Fall, dass er krank wird oder in Rente geht. Der aktuelle Mindestlohn von 8,84 Euro pro Stunde wird diesem Anspruch nicht gerecht. Es ist deshalb richtig, eine Vision zu entwickeln. Aber ich wundere mich schon ein bisschen über den Zeitpunkt der Forderung. Warum macht Olaf Scholz jetzt diese Diskussion auf?

Muss die SPD, die sich neu aufstellen will, linker werden?

In der Mitte, wo sich alle drängeln, ist es recht eng. Deshalb bin ich der Überzeugung: Die SPD ist eine linke Volkspartei und muss diesen Anspruch klar vertreten. Im Wahlkampf hatten wir mehrere Probleme, zum Beispiel keine glaubwürdige Machtoption. Entscheidend war aber auch, dass die SPD zu verkopft wirkte. Wir müssen für die Sache brennen, Lust und Leidenschaft ausstrahlen. Der Funke sprang nicht über.

Die SPD-Führung im Bund besteht vor allem aus Männern. Es gibt Schulz, einen Generalsekretär, einen Fraktionsgeschäftsführer und Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann. Steht dieses Tableau für Erneuerung?

Sie vergessen die Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles. Dass zum ersten Mal überhaupt eine Frau an der Spitze der Bundestagsfraktion sitzt, ist ein wichtiges Signal. Aber natürlich müssen die Personen zu der Ansage passen, die Partei werde weiblicher und jünger. Außerdem kann man nicht mit Hardcore-Agenda-Befürwortern linkere Politik machen. So nachvollziehbar Entscheidungen im Einzelfall sind: Ich habe schon den Eindruck, dass das Gesamttableau zu wenig im Blick gehalten wurde. Ich würde mich freuen, wenn zum Beispiel Johanna ­Uekermann, die ehemalige Juso-Vorsitzende, in Zukunft eine wichtigere Rolle spielte. Dass die Jusos für sie einen Platz im Parteivorstand fordern, ist richtig.

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