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„Fragwürdiges historisches Dokument“

Foto: privat

James Renton, Historiker und Autor von „The Zionist Masquerade: The Birth of the Anglo-Zionist Alliance, 1914–1918“

taz: Dr. Renton, Sie haben über die Balfour-Erklärung geforscht. Überraschen Sie die Intrigen rund um den 100. Jahrestag?

James Renton: Nein, sie stehen im Zusammenhang mit den zunehmenden Fragen nach der Legitimität Israels. Wir haben es mit polarisierten politischen Positionen zu tun, mit der Boykottbewegung BDS auf der einen Seite und den Darstellungen des Staates Israels auf der anderen.

Was hat die Balfour-Erklärung damit zu tun?

Sie gilt als der offizielle Stempel zur Legitimation Israels, denn sie wurde vom Völkerbund ins internationale Recht übertragen, samt den daraus folgenden rechtlichen Verpflichtungen, ein jüdisches nationales Heimatland zu schaffen. Gleichzeitig befinden wir uns in einer Zeit der postkolonialen Restitution, mit Klagen aus ehemaligen Kolonien wie Kenia wegen der Niederschlagung der Mau-Mau-Rebellion, oder auch Namibia gegen Deutschland wegen dem, was den Herero und Nama widerfahren ist. Palästinensische Vertreter fordern von Großbritannien eine Entschuldigung für die Balfour-Erklärung.

Entspricht diese Forderung dem historischen Zusammenhang?

Nein, die Balfour-Erklärung bedeutet dabei heute nicht das, was sie damals war. Wer sich für die Geschichte interessiert, entdeckt ein vollkommen fragwürdiges Dokument. Die Briten glaubten damals, sie könnten sowohl das jüdische Verlangen nach einem eigenen Staat als auch den arabischen Nationalismus gleichzeitig zu ihrem Vorteil ausspielen. Den Juden und Arabern schrieben sie die Fähigkeit ab, sich selbst regieren zu können. In der Region bleibt der Konflikt genau dort stecken. Interview: Daniel Zylbersztajn

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