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Wie der weise Jupp alle anderen schlägt

Beim 3:1 in Dortmund beweisen die Münchner Bayern, dass selbstbewusst angewandtes Trainerhandwerk zum Sieg genügt

Weg und nicht zu halten: Bayerns Rafinha entkommt Dortmunds Mario Götze Foto: Kuegeler/reuters

Aus DortmundDaniel Theweleit

Das Meisterschaftsrennen mag nun wieder langweilig werden, aber eine kleine Entschädigung bekommt die Fußballnation dennoch: die große Show des Jupp Heynckes. Der weise Altmeister hat die Münchner innerhalb von vier Wochen wie ein großer Zauberer von einem Krisenteam in einen Seriensieger zurückverwandelt, ausgestattet mit Dusel, Sieger-Gen und dieser für jeden Gegner so schmerzlichen Unerbittlichkeit des guten alten FC Bayern.

Am Samstagabend nach dem 3:1 über Borussia Dortmund wirkte Heynckes regelrecht berauscht von der Magie seiner Arbeit. „Überragend“ habe seine Mannschaft in der ersten Halbzeit gespielt. Dann erzählte er mit fröhlich leuchtenden Augen, mit welch hinterlistigen Maßnahmen er sein kleines Wunder vollbracht hat: Dass etwa Mats Hummels sich in der Halbzeit wegen muskulärer Probleme auswechseln lassen wollte – „aber das habe ich verweigert“. Man sah Heynckes an, dass er seine Worte genoss wie ein Rotweinkenner einen Schluck 89er Château Le Pin. Oder er erzählte stolz, dass er sein Team permanent mit „Korrekturen im Training, Power-Point-Präsentationen, Analysen und so weiter“ nervte, was für die Spieler „etwas ungewohnt“ und „ermüdend“ sei. Aber eben auch dringend nötig. Und er verriet, dass er mit Arjen Robben den perfekten Assistenten zur Installation einer professionellen Grundhaltung gefunden hat, die unter seinem Vorgänger Carlo Ancelotti verlorengegangen war.

Der verletzungsanfällige Holländer hat nämlich im Gegensatz zu den vielen Kollegen mit Muskelproblemen alle sieben Heynckes-Spiele von der ersten bis zur letzten Minute bestritten. „Ich mache auch viel dafür“, sagte Robben, „das Schönste ist, mit 33 so fit zu sein“, all die Jüngeren, deren Körper streiken, können sich ein Beispiel an dem Yoga-Freund aus den Niederlanden nehmen. Dass die Bayern nach dieser sagenhaften Erfolgsserie über eigentlich selbstverständliche Grundlagen debattierten, statt über taktisch-strategische Feinheiten, das passte zu einer Einsicht, die diese Partie hervorbrachte: Die Qualität dieses in aller Welt wahrgenommenen Topspiels war längst nicht so hochklassig wie die Duelle vergangener Jahre. Heynckes mag eine besondere Aura haben, aber die Maßnahmen, mit denen er sieben von sieben Spielen gewann und innerhalb kürzester Zeit einen 5-Punkte-Rückstand auf den BVB in einen 6-Punkte Vorsprung verwandelt hat, sind im Kern kaum mehr als solides Trainerhandwerk.

In Dortmund funktioniert hingegen nicht einmal mehr das. „Wir haben lange keinen Zugriff gefunden und sind nur hinterhergelaufen“, sagte Sportdirektor Michael Zorc, in dessen Klub sich unabhängig von den Debatten um die riskante Spielweise von Trainer Peter Bosz zeigt, dass die individuelle Qualität einiger Abwehrleute mangelhaft ist. Die Trainerdiskussion beim BVB, die nun an Fahrt aufnehmen wird, bildet daher nur ein Teil des Dortmunder Problems in diesem Herbst ab.

Heynckes erzählt, dass er sein Team mit Power-Point-Präsentationen nervt

Wobei dieser Debatte ebenfalls ein neues Kapitel hinzugefügt wurde. Erstmals veränderte Bosz sein System, nominierte mit Gonzalo Castro und Julian Weigl zwei eher defensiv agierende Mittelfeldspieler – ohne die erhoffte Wirkung. „Wenn man sieht, wie wir heute verteidigt haben, das kann auf diesem Niveau nicht passieren“, sagte Bosz.

Man kann die Debatte um die Balance zwischen Offensiv- und Abwehrarbeit beim BVB ewig fortsetzen, aber alle Kontroversen über Taktik und Aufstellungen sind eine Folge davon, dass es seit Wochen nicht gelingt, die Fähigkeiten der Spieler mit den Vorstellungen des Trainers in Einklang zu bringen. In Dortmund fehlt die Magie eines Altweisen.

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