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Wenn das Reich nicht hilft

Prozess gegen Reichs-bürgerInnen in Herzberg

Von Andreas Speit

Provokation und Polemik: Der Auftritt der Reichsbürgerinnen Bettina H. und Helga H. im Amtsgericht Herzberg im historischen Gemäuer des Welfenschlosses am vergangenen Dienstag hatte etwas Groteskes. Weder das geschichtsträchtige Gebäude noch die staatliche Macht beeindruckte Tochter und Mutter. Im Gegenteil: Ganz ihrer Reichsideologie verfangen, erklärt die Mutter, dass das Gericht keine Rechtsgrundlage hätte. Ihre Tochter wollte wissen, ob die vorsitzende Richterin überhaupt „für die lebenden Menschen zuständig“ sei. Dass sie das durchaus ist, bewies die Richterin, indem sie die 30-Jährige wegen eines gewalttätigen Angriffs auf einen Polizeibeamten zu 18 Monaten Haft auf Bewährung sowie zu einem Schmerzensgeld in Höhe von 4.000 Euro verurteilte.

Der erste Verhandlungstag im Mai war geplatzt. Beide Beschuldigten hielten es für nicht nötig zu erscheinen. Die erste Verhandlung gegen die Frauen aus Barbis aus dem Harz konnte erst am 18. Oktober beginnen, Tags zuvor waren sie von der Polizei in Gewahrsam genommen worden. Im Saal des Amtsgerichts legten die beiden dann einen provokanten Auftritt hin.

Nachdem das Gericht und alle weiteren Prozessbeteiligten bereits Platz genommen hatten, betraten die Frauen den Saal und blieben am Eingang stehen. Der mehrfachen Bitte der vorsitzenden Richterin „Bitte kommen Sie doch nach vorne, um besser kommunizieren zu können“ lehnten sie ab. „Nee! Wir bleiben hier stehen“, blaffte die Mutter für ihre Tochter gleich mit. Hier und da warf vor allem die 68-Jährige Kommentare ein, erklärte, im Königreich Preußen zu leben und Strafanzeige gegen die Richter erstattet zu haben. Sie gab der Tochter Anweisungen, wie sie mit der Richterin zu sprechen habe. Denn anders als die Mutter äußerte sich die Tochter zu der Anklage.

Über ihren Anwalt ließ die Tochter wissen, gar nicht erkannt zu haben, dass an jenem Tag im Juni 2015 ein Polizeibeamter vor ihr stand. Sie habe nur aus Notwehr im Handgemenge auf den Beamten einen säurehaltigen Sanitärreiniger verschüttet. Alles zufällig.

Der mittlerweile pensionierte Polizist erklärte dem Gericht, an dem Tag der Tat mit einen Kollegen Amtshilfe für die Bezirksschornsteinfeger geleistet zu haben, da die Mutter sich mehrfach geweigert hatte, die Heizungsanlage überprüfen zu lassen. Äußerst aggressiv hätte die Tochter ihn angegriffen, erklärte er: „Sie versuchte, mir so viel wie möglich ins Gesicht zu pressen.“

Die Anklage gegen die Mutter erhärtete sich nicht. Nicht geklärt sei, ob die Mutter die Tochter nicht angestiftet und instrumentalisiert habe, sagte die Richterin. Der Gutachter hatte gerade der Mutter eine feste Verankerung in ihrem Weltbild attestiert.

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