: Die Angst der Patienten
Die Morde des Krankenpflegers Niels H. ruinierten den Ruf des Josef-Hospitals in Delmenhorst. Dem Haus droht die Insolvenz. Die Stadt springt mit einer Soforthilfe ein
Von Adèle Cailleteau
Das Josef-Hospital braucht dringend Hilfe. Dem Haus droht die Insolvenz. Momentan liegt das Defizit bei drei Millionen Euro, es könnten aber bis zum Ende des Jahres zehn Millionen werden. Grund für die finanzielle Notlage sind fehlende Patienten. Bis zu 20 Prozent weniger sind es mittlerweile.
Ausschlaggebend für den Rückgang der Patientenzahlen ist die Mordserie des Krankenpflegers Niels H., der von 2002 bis 2005 im Josef-Hospital angestellt war. Das Thema scheint Patienten und Angehörige weiter zu beschäftigen. Vor wenigen Monaten schrieb Krankenpfleger Olaf Mehlis einen offenen Brief und kritisierte darin „die Pauschalverurteilung aller Kollegen“. „Wir werden kollektiv mit einem Massenmörder in einen Topf geworfen“, schieb Mehlis.
Christoph Schmale, Pressesprecher des Klinikums, glaubt dagegen nicht, dass die Taten von Niels H. Grund für den Rückgang der Patienten seien: „Das sind nur Spekulationen.“ Er gibt aber zu, dass Patienten fernbleiben und sich stattdessen in Bremen oder Oldenburg in Behandlung begeben. Nach der Fusion des Josef-Hospitals mit dem Klinikum Delmenhorst werde noch an einem einem neuen Konzept gearbeitet, um wieder konkurrenzfähig zu sein. Auch der Geschäftsführer des Josef-Hospitals, Ralf Delker, glaubt, dass die Fusion Patienten verunsichert habe. Gegenüber dem Delmenhorster Kurier sagte er letzten Monat: „Das ist dramatisch, weil man nicht damit gerechnet hätte, dass sich so viele Patienten umorientieren.“
Nun will der Delmenhorster Stadtrat dem angeschlagenen Krankenhaus unter die Arme greifen und hat am Mittwoch eine Soforthilfe von 1,5 Millionen Euro beschlossen. „Es gab nur zwei Gegenstimmen und fünf Enthaltungen“, sagte die Ratsvorsitzende Antje Beilemann (SPD) nach der Sitzung. „Der Rat stellt sich hinter unser Krankenhaus.“ Zuvor hatte bereits die Kommunalaufsicht grünes Licht für diese Summe und eine weitere Bürgschaft in Höhe von 3,5 Millionen Euro gegeben.
Von Dezember 2002 und bis Juni 2005 war Niels H. im Klinikum Delmenhorst als Krankenpfleger beschäftigt.
Der heute 40-jährige wurde für die Ermordung von sechs Patienten zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Er hat Medikamente gespritzt, die Herzversagen oder Kreislaufkollaps auslösten, um die Opfer zu reanimieren und als Held zu erscheinen.
Nach neuesten Ermittlungen soll er mindestens weitere 84 Menschen getötet haben. Mehr als 130 Verdachtsfälle konnten nicht weiter verfolgt werden, weil die mutmaßlichen Opfer mit einer Feuerbestattung beigesetzt wurden.
Auf 67 Friedhöfen sind 134 Leichen exhumiert worden, um Beweise zu sichern.
Diese Fünf-Millionen-Hilfe solle das Krankenhaus wieder fit machen und neue Kredite absichern, sodass der Betrieb bis zum 31. Dezember weiterlaufen könne, sagte Oberbürgermeister Axel Jahnz (SPD) dem NDR. Seit einem Monat befindet sich das Krankenhaus im sogenannten Schutzschirmverfahren, um ein Sanierungskonzept zu entwickeln. Ab 2018 sollte dieses umgesetzt werden. Dafür würden sieben weitere Millionen Euro erforderlich sein, sagen die Sanierungsexperten.
Noch ist das Krankenhaus im gemeinsamen Besitz der Stadt Delmenhorst und der Stiftung St. Josef. Das wird aber nicht so bleiben: Die katholische Stiftung will mangels finanzieller Mittel ihre 90 Prozent der Stadt übergeben, sodass sie Alleingesellschafter und auch Betreiber des Krankenhauses wird. Diese komplette Übernahme durch die Stadt sowie das Sanierungsprojekt des Josef-Hospitals werden von der Landesregierung unterstützt.
70 Millionen Euro soll die Stadt für den Neubau eines Krankenhauses in der Mitte der Stadt vom Land Niedersachsen bekommen. Der Bau soll in fünf Jahren fertiggestellt werden. Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt (SPD) bestätigte bei einem Treffen mit Oberbürgermeister Jahnz am Montag, dass die Zusammenarbeit bestehen bleiben solle.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen