: Staatsnotstand wird Gesetz
Französisches Parlament billigt abschließend dauerhafte Einschränkung der Grundrechte
Aus Paris Rudolf Balmer
Der seit 2015 mehrfach verlängerte Ausnahmezustand in Frankreich endet im November. Das hatte Präsident Emmanuel Macron versprochen, und er hält sein Versprechen – der Form nach.
Die mit einer Notsituation begründeten Beschränkungen der Grundfreiheiten werden stattdessen in der Gesetzgebung verankert. Was bisher eine Ausnahme war, die wegen der reellen Risiken terroristischer Anschläge von der Gesellschaft als kleineres Übel akzeptiert wurde, soll damit zum Normalfall werden. Dem hatten im Prinzip die Abgeordneten der Regierungsmehrheit nach einer kontroversen Debatte in der Nationalversammlung bereits im September zugestimmt. Nun musste noch der Senat in zweiter Lesung am Mittwoch den Segen dazu geben
Konkret bedeutet diese Verschärfung der Sicherheitsgesetze, dass die Polizei weitgehend freie Hand bekommt bei Personenkontrollen und Durchsuchungen. Erweitert wird auch die Verwendung der (gemäß der EU-Direktive „Passenger Name Record“) registrierten Daten von Reisenden. Auf Wunsch des Innenministeriums kann gewissen Personen, die als potenziell gefährlich eingestuft werden, der Zugang zu bestimmten „Sicherheitszonen“ untersagt werden. Das kann für die Betroffenen de facto Hausarrest bedeuten.
Dem von rechts geäußerten Wunsch, bestimmte Personen, die als Sympathisanten des Dschihad gelten, bei bloßem Verdacht in Präventivhaft zu stecken, entsprach die Regierung nicht.
Auf Antrag der Konservativen (Les Républicains), denen die vorgeschlagene Verschärfung insgesamt nicht weit genug ging, war dagegen bei der Debatte in der Nationalversammlung ein Antrag gutgeheißen worden, der es den Polizeibehörden erlaubt, Moscheen oder andere religiöse Kultstätten während einer Dauer von bis zu sechs Monaten zu schließen, wenn dort radikale „Ideen“ verbreitet sowie Reden zur Unterstützung des Terrorismus oder zur Anstiftung zu Hass gehalten werden.
Einem Antrag der linken Opposition folgend hatten die Abgeordneten allerdings auch die parlamentarische Aufsicht über diese Maßnahmen verstärkt. Die Nationalversammlung und der Senat müssen demzufolge „unverzüglich“ informiert werden, wenn aus Sicherheitsgründen administrative Entscheidungen bezüglich Hausarresten oder Durchsuchungen ohne richterlichen Beschluss getroffen werden.
Bei einer Bilanz der konkreten Auswirkungen des Ausnahmezustands seit 2015 war deutlich geworden, dass das Innenministerium und die Polizei die erweiterten Überwachungs- und Repressionsmittel nicht zur Terrorbekämpfung, sondern oft gegen andere „Staatsfeinde“ oder einfache Kritiker (so bei der Reform des Arbeitsrechts 2016) angewandt haben.
Das zweite Wahlversprechen, das Macron im Bereich der Sicherheit jetzt halten möchte, betrifft die Reform der Polizeikräfte und vor allem die Schaffung einer „Nachbarschaftspolizei“ (Police de sécurité du quotidien). Sie soll engen Kontakt zur Bevölkerung knüpfen oder wiederherstellen. Eine solche Polizei gab es schon einmal in Frankreich, bevor sie von Nicolas Sarkozy abgeschafft wurde.
Noch bleibt weitgehend offen, ob die von Macron gewünschte „Polizei für die Sicherheit im Alltag“ nur ein neuer Name für ähnliche und bereits erfolglos getestete Einheiten ist oder ob damit ein neues Konzept und zusätzliche Mittel für Personal und Material gemeint sind. In den kommenden zwei Monaten will Macron über seine Vorstellungen mit Spezialisten und Polizeiverbänden reden, bevor dann in einigen ausgewählten Orten Experimente mit einem Pilotprojekt starten.
Für Macron war die Rede vor den Spitzenvertretern der Polizei und der Gendarmerie am Mittwoch Anlass, den Ordnungskräften für ihren oft aufopfernden Einsatz zu danken. Er sagte ihnen zu, dass die Forderungen nach mehr Personal und Ausrüstung bei den Demonstrationen der „Flics“ von Ende 2016 nicht ungehört verhallt seien.
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