: Gutes Geld verdienen nur Surfer
Lisa Erpenstein fliegt beim Windsurf-Weltcup auf der Nordseeinsel Sylt auf einen vierten Platz in der Gesamtwertung und ist damit im Kreis ihrer Vorbilder angekommen. Profi will sie trotzdem nicht werden
Von Christian Görtzen
Manchmal bricht die Sonne durch. Dann glitzern die trübblauen Nordseewellen, die heranrollen, sich aufbauen und rauschend in einem wildem Wasserwirbel in sich zusammenfallen. Hin und wieder holen sie einige Surfer von ihren Brettern. Kurz sind sie verschlungen. Dann spuckt die Gischt sie wieder aus. Die Ausläufer des Sturmtiefs Xavier sind am Wochenende auch beim Windsurf-Weltcup vor Sylt zu spüren. Am Brandenburger Strand in Westerland, wo Hunderte die waghalsigen Sprünge und Ritte der Athleten über die Wellen verfolgen, knattern die Fahnen.
„Man merkt den Orkan ganz gut, hier ist eine Menge Wind“, sagt Lina Erpenstein. Sylt sei ohnehin ein „abwechslungsreiches Revier“, auch bei weniger Windstärke. „Hier gibt es eine starke Strömung, wechselnde Winde – vor Sylt kann immer alles passieren“, sagt das 20 Jahre alte Top-Talent im deutschen Frauen-Windsurfen.
Dass sie es in der Disziplin Waveriding bis in die nationale Spitze gebracht hat, ist bemerkenswert. Aufgewachsen ist Erpenstein im unterfränkischen Aschaffenburg – weit weg von Nord- oder Ostsee. Mit Urlaubsreisen in die Niederlande, nach Spanien und Griechenland habe alles angefangen. „Mein Vater kommt vom Bodensee, ist immer viel gesurft. Er hat mich irgendwann aufs Brett gestellt, ich bin ins Gleiten gekommen – dann war ich süchtig nach diesem Sport“, sagt sie.
Nächster Schritt in Kiel
Als sie 15 Jahre alt war, überzeugte sie ihre Eltern von einem Auslandssemester im spanischen Tarifa, an der Südspitze Andalusiens. Dort machte sie einen enormen Schritt in ihrer sportlichen Entwicklung. Durch ihren Umzug nach Kiel will sie nun den nächsten Schritt vollziehen. Sie beginnt in wenigen Tagen ihr Medizin-Studium.
Engagement bewies sie auch auf einem anderen Feld. Die 1,0-Abiturientin bewarb sich bei einem Magazin um den Titel des Windsurftalents 2015 – und gewann. Damit verbunden war eine Prämie von 2.000 Euro. Das Geld war sehr willkommen, ist doch gerade für junge Athleten die Suche nach Sponsoren mühsam. Einige Unterstützer habe sie auch, sagt sie, und die helfen sehr dabei, die Kosten für das Material, die Reisen und die Unterkünfte zu decken. Aber mit dem Surfen reich werden? Diesen Gedanken hat Erpenstein längst aufgegeben: „Es ist keine Option, Profi zu werden. Ich werde versuchen, den Sport mit meinem Studium zu verbinden.“
Frauen kriegen weniger
Gutes Geld zu verdienen mit Windsurfen ist bei den Männern leichter. Während es beim Weltcup vor Sylt bei den Frauen etwa für den Sieg im Waveriding 3.750 Euro gibt, sackte Philipp Köster für seinen vierten WM-Titel satte 6.314 Euro ein. „Es ist schade, dass bei den Frauen finanzielle Mittel nicht so bereitgestellt werden“, sagt Erpenstein. Aber auch sie will nicht die These aufstellen, dass Frauen im Windsurfen für die gleiche Arbeit nicht gleich entlohnt werden. „Das wäre sehr kritisch betrachtet. Das Thema ist schwierig, weil das Level bei den Männern doch noch höher ist“, sagt Erpenstein.
In den Wellen vor Westerland zeigte Erpenstein über die zehn Tage des Weltcups hinweg jedenfalls starke Leistungen. Die Frontloops gelangen sehr gut, genauso wie die meisten Backloops, mit denen sie sich lange schwer getan hatte. Letztlich reichte es zu einem beachtlichen vierten Rang in der Gesamtwertung, der mit 1.800 Euro entlohnt wurde.
Die Neu-Kielerin Erpenstein lag nicht weit hinter den bekannten spanischen Zwillingen Iballa (Erste) und Daida Moreno (Dritte). Und immerhin einen Platz vor der Kielerin Steffi Wahl. Lina Erpenstein ist auf der rauen Nordsee im Kreis ihrer Vorbilder angekommen.
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