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Der Heartbreaker war kein Macho

Tom Pettys Aufrichtigkeit half ihm, die Sorgen der Leute auf den Punkt zu bringen. Ein Nachruf

Tom Petty, 2006 in Manchester Foto: dpa

Von Jan Paersch

Es ist alles drin in diesen Zeilen: „She’s a good girl, loves her mama / Loves Jesus and America too / She’s a good girl, crazy ’bout Elvis / Loves horses and her boyfriend too“. Tom Pettys erster richtiger Hit aus dem Jahr 1989, „Free Fallin’“, sollte dem Sänger und Gitarristen den Weg in die Stadien ebnen. Obendrein enthielt er, neben einem dieser Ohrwurm-Refrains, die auf brillante Weise Melancholie und Euphorie austarieren, ein Rezept zum Verständnis dieser riesigen Vereinigten Staaten, die Petty seit seiner Geburt am 20. Oktober 1950 seine Heimat nannte.

Die Zutaten im Text: Liebe zum Vaterland und zur Familie, kombiniert mit tiefer Gottgläubigkeit, bei einem gleichzeitigen Drang nach Freiheit und Unabhängigkeit und einer obsessiven Verehrung von Pop-Ikonen. Man wird dem Mann mit dem Blondschopf und dem markanten Unterkiefer nicht gerecht, unterstellte man ihm hier ironiefreien Hurra-Patriotismus. Der Songwriter Petty besaß eine schlichte Aufrichtigkeit, die ihm half, die Sorgen und Nöte nicht nur seiner Landsleute mitsingbar auf den Punkt zu bringen. Die Imperative seiner größten Hits lassen sich auch mit geringen Englischkenntnissen verstehen: „I Need to Know“, „Don’t Do me Like That“, „Don’t Come Around Here No More“.

Wie Millionen anderer junger US-Amerikaner sah Tom Petty im Februar 1964 den Auftritt der Beatles in der Ed Sullivan Show. „Das war es“, erinnerte sich der in Gainesville, Florida, geborene Petty später. „Das war der Ausweg. Ich war kein sportlicher Typ, wusste nicht viel mit mir anzufangen. Aber ich wusste – das war etwas, das auch ich konnte.“ Mit 17 Jahren brach er für die Musik die Schule ab. Auf die niederschmetternde Erfolglosigkeit seiner Band Mudcrutch reagierte er, indem er mit Mitte 20 nach Los Angeles zog, der Stadt, deren ikonische Orte er in „Free Fallin’“ besingt.

In Kalifornien gründete er 1976 die Heartbreakers, die Band mit den alten Jugendfreunden Mike Campbell und Benmont Tench, die ihn bis zum Schluss begleiten sollten. Doch auch am Pazifik blieb der Durchbruch vorerst aus. Anachronistisch muss seine Musik damals, als in England schon der Punk tobte, gewirkt haben. Die Heartbreakers klangen mehr nach Chuck Berry und Bo Diddley, nach dieser Ursuppe des Rock ’n’ Roll, aus der schon eine halbe Generation vor ihnen geschöpft hatte. Aber der Erfolg war unausweichlich, denn: So eingängige Melodien wie Petty schrieben im Pop-Business der späten Siebziger eigentlich nur Fleetwood Mac, mit deren Sängerin Stevie Nicks sich Petty für das grandiose „Stop Draggin’My Heart Around“ zusammentat. Und er schrieb Songs zumindest teilweise aus weiblicher Per­spek­tive: „American Girl“, „Listen To Her Heart“ und natürlich „Free Fallin’“.

Mit seiner kalifornischen Nonchalance und seiner Bescheidenheit war er so etwas wie der machismofreie Bruder des anderen großen Amerika-Verstehers, Bruce Springsteen. Am Abend des 2. Oktober ist Tom Petty im Alter von 66 Jahren nach einem Herzstillstand gestorben.

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