heute in hamburg: „Armut ist ja leider universell“
Sabine Boeddinghaus, Jahrgang 1957, ist Fraktionsvorsitzende der Linken und verantwortlich für Bildung, Familie und Jugend.
taz: Frau Boeddinghaus, warum haben Sie heute Abend in Hamburg zu einer Lesung über Straßenkinder in Bolivien eingeladen?
Sabine Boeddinghaus: Wir haben immer das Thema Armut, auch Armut von Kindern, auf unserer Tagesordnung. In Hamburg leben immerhin etwa 500 Straßenkinder. Und die Lesung von Stefan Gurtner, der seit 30 Jahren Theater mit Straßenkindern in Bolivien macht, ist für uns eine schöne Gelegenheit, das Thema mal aus der Perspektive anderer Länder zu beleuchten. Obdachlosigkeit und Armut sind ja leider universell.
Was erwarten Sie von dieser Veranstaltung?
Ich hoffe, dass Stefan Gurtner uns erklären kann, wie er seine Projekte in Bolivien führt und wie er die Rechte der jungen Menschen so sichert, dass sie die Möglichkeit zur Selbstbestimmung bekommen. Zu oft stehen genau diese Möglichkeiten nämlich bei uns zwar auf dem Papier, werden in der Realität aber vernachlässigt. Da könnte man also für Hamburg viel lernen. Daher erwarte ich, dass sich ein guter Austausch ergibt und wir gegenseitig von unseren Erfahrungen lernen.
Wie landen Kinder bei eigentlich auf der Straße?
Es sind junge Menschen in ganz unterschiedlichen Lebenslagen. Sie müssen von zu Hause wegziehen, weil es für sie keine Option mehr ist, dort zu wohnen. Armut spielt eine große Rolle, aber auch Misshandlungen, Trennung oder Drogensucht der Eltern. Das führt zur Wohnungslosigkeit, junge Menschen müssen dann von Freunden zu Freunden gehen und verlieren jede Stabilität.
Was wird heute für diese Kinder in Hamburg getan?
Es gibt etwa das „Kids“ am Hauptbahnhof, das eine zentrale Rolle in der Beratung von Straßenkindern spielt. Das ist eine offene Anlaufstation für junge Menschen, die manchmal aus anderen Städten nach Hamburg kommen. Solche Orte, wo die Kinder in Ruhe gelassen werden, wo sie duschen können, wo sie ihre Wäsche waschen können, brauchen sie natürlich.
Ist das denn schon genug?
Nein, man müsste und man könnte mehr Sozialwohnungen anbieten. Diese jungen Menschen brauchen eine feste Lösung, ein dauerhaftes Dach über dem Kopf, damit sie ruhig an ihre Zukunft denken können. Und das gibt es nicht, weil die Stadt ihre eigenen Immobilien privatisiert hat.
Interview Adèle Cailleteau
Lesung „Leben auf der Straße: Alternativen für Kinder und Jugendliche in Bolivien und Hamburg“: 18 Uhr, Rathaus
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