: „Jamaikakannunsschreddern“
Jamila Schäfer, Sprecherin der Jugendorganisation der Grünen, über die Haltung ihrer Partei zum Migrationsdeal von CDU/CSU – und über das Risiko, das eine schwarz-gelb-grüne Koalition für die Zukunft der Grünen darstellt
Jamila Schäfer 24, ist seit 2011 Mitglied der Grünen Jugend.Ende Oktober 2015 wurde sie zur Sprecherin der Jugendorganisation gewählt.
Interview Ulrich Schulte
taz: Frau Schäfer, die Grünen-Spitze vermeidet harte Kritik am Migrationsdeal von CDU und CSU. Wie finden Sie das?
Jamila Schäfer: Mir ist wichtig, dass Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt grüne Positionen hart in Sondierungen verhandeln. Da habe ich keine Sorge. Aber es stimmt: Der grundlegende Dissens in der Flüchtlingspolitik zwischen den Grünen und CDU und CSU könnte schärfer herausgearbeitet werden.
Vielleicht ist der Dissens gar nicht so groß? Die angebliche Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen ist windelweich formuliert.
Das sehe ich anders. Die CSU drängt nicht ohne Grund auf eine feste Zahl. Sie will, dass sich die Gesetzgebung daran orientiert – auch wenn die Formulierung Spielräume lässt. Wer verschiedene Gruppen Schutzbedürftiger, Asylbewerber, subsidiär Geschützte oder nachziehende Familienangehörige, in einen Topf wirft, spielt Menschen zynisch gegeneinander aus. Das werden die Grünen nicht mittragen.
Wo ist der Unterschied zur Haltung der Grünen?
Ganz einfach: Die CSU addiert Menschen, ihre Kontingente gehen auf Kosten von anderen. Wenn viele Asylbewerber nach Deutschland kommen oder viele Familienangehörige nachziehen, dann gibt es nach dem Willen der Union innerhalb der 200.000-Grenze weniger Platz für Menschen in Resettlement-Programmen. Die Grünen werben für diverse humanitäre Maßnahmen, die nebeneinander existieren und keine Begrenzung haben. Der Familiennachzug muss zum Beispiel wieder uneingeschränkt gelten. Nur ein Geflüchteter, der seine Familie in Sicherheit und bei sich weiß, kann sich integrieren.
Ihre Parteiführung möchte doch auch nicht, dass Hunderttausende arme und schlecht qualifizierte Menschen aus Afrika hierher kommen.
Die Grünen stehen wie keine andere Partei für eine menschenrechtsorientierte Flüchtlingspolitik. Wir lehnen die von Merkel organisierte Zusammenarbeit mit autoritären Regimen ab, mit der Flüchtlinge von der EU abgehalten werden sollen. Dass die Kanzlerin auf eine Zusammenarbeit mit Libyen setzt, halte ich für einen Skandal. Dort gibt es Internierungslager, in denen Leute in unwürdigen Zuständen eingepfercht sind. Wer will garantieren, dass dort rechtsstaatliche Verfahren eingehalten werden?
Die CSU will rechts von sich keine Partei dulden …
Was die CSU tut, ist zerstörerisch. Wer die ganze Zeit über Abschottung, Begrenzung und Zahlen redet, wenn es um Schutzsuchende geht, der schafft keine Empathie. Die CSU betreibt das Geschäft der AfD. Sie darf sich über die Wahlergebnisse der Rechtspopulisten nicht wundern. Bei dem Migrationsdeal zwischen CDU und CSU hat sich Seehofer gegen Merkel durchgesetzt. Die Union schwenkt weiter nach rechts.
Müssen die Grünen dann wegen der Flüchtlingspolitik Jamaika platzen lassen?
Wir haben uns als Partei darauf geeinigt, ernsthaft alle Optionen zu sondieren. Dieses Bündnis stellt für die Zukunft der Grünen ein hohes Risiko dar. Jamaika kann uns schreddern. Die gesellschaftspolitischen Analysen unterscheiden sich einfach grundsätzlich. Die Union schert nach rechts aus, um die AfD zu bekämpfen. Wir bleiben eine progressive Kraft und kritisieren den Status quo.
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