Herbert Fritsch an der Schaubühne: Man denkt immer, man ist wichtig

Das Publikum fest im Griff: Herbert Fritsch inszeniert an der Berliner Schaubühne „Zeppelin“ nach Motiven von Ödön von Horváth.

Eine Grupe Menschen in bunten Kostümen hängt an einem Gerüst

Sich hängen lassen als Spiel Foto: Thomas Aurin

„Mir scheint, ich bin hier überflüssig.“ Wer diesen Gedanken aus leidvoller Erfahrung kennt, ist eigentlich genau richtig im Kosmos von Herbert Fritsch. In Zeiten, wo das Basteln an der eigenen Bedeutung beinahe zur täglichen Pflichtübung geworden ist, kümmert er sich mit Hingabe um die Zurückgebliebenen. Denkt man an die vielen Fans dieses Theaterregisseurs, ist er damit erstaunlich vielen sympathisch.

Herbert Fritsch, der seine Figurenanordnungen lange Jahre an der Volksbühne in Berlin unter Frank Castorf herausbrachte, zeigte am Dienstag seine erste Premiere an der Schaubühne in Berlin und will hier langfristig vor Anker gehen. Schon das sorgt für große Aufmerksamkeit. Dass er sich in „Zeppelin“ mit Texten von Ödön von Horváth aus dem Nachlass und aus Vorarbeiten zu „Kasimir und Karoline“ beschäftigen wollte, schien zudem ein vielversprechendes Konzept.

Kann man sich doch Fritsch und Horváth sehr gut als verwandte Seelen denken, die beide das Metaphysische auf dem Jahrmarkt suchen und sich mit Vorliebe den kleinen Illusionen widmen. Es treten denn vor allem auch die Abnormitäten auf, die in „Kasimir und Karoline“ vorgeführt werden.

Den eingangs zitierten Satz hört man oft in „Zeppelin“, hingeseufzt und auch gepiepst von einer der kurzbekittelten Darstellerinnen. Oder auch, „Man denkt immer, man ist wichtig, aber meiner Meinung nach ist das falsch.“ Spontanen Beifall erhält: „Verstehen werdet ihr das später.“ Inhaltlich ist der Höhepunkt erreicht mit der politischen Ansage: „Im klassenlosen Staat wird es keine Scherzartikel mehr geben.“ Und beliebt ist die Frage: „Wo ist Irma?“ Der gleichnamige Hurrikan tobte zur Probenzeit.

Einzelne Sätze also machen Spaß; zu Dialogen und Szenen aber verbinden sie sich nicht. Denkt man zurück, was Fritschs Schauspieler in „der die mann“ mit den Gedichten von Konrad Bayer veranstalteten, wie viele Doppel-, Drei- und Vierfachdeutung da in die Worte hineinkam, ist „Zeppelin“ eher enttäuschend schlicht. Die Kinderkostüme, in die alle gesteckt sind, deuten zwar auch in Horváths Zeit zurück, Anfang 20. Jahrhundert, aber sonst bleiben die Drähte stumm, die von den sozialen und philosophischen Erschütterungen der Welt damals in die von heute hätten reichen können.

Herbert Fritsch

„Im klassenlosen Staat wird es keine Scherzartikel mehr geben“

Auf der riesigen Bühne der Volksbühne wirkte das Fritsch-Ensemble oft puppenhaft klein, von einem geheimen Spielmacher willenlos hin und her gejagt. Geblieben ist die infantile Stilisierung in Kostüm und Gestus, das Zappeln und Greinen. Doch die Bühne ist diesmal eng, vollgestellt mit dem Gerüst eines Zeppelins, über das die Truppe wie Kinder auf dem Spielplatz turnt. Mal baumeln sie als nasse Lappen an den Stangen, mal rennen sie staunend drumherum, mal triumphiert, wer es bis oben geschafft hat; Abstürze gibt es auch.

Der Zeppelin sieht dabei auch wie das Skelett einer riesigen Bombe aus. Schließlich war er ja nicht nur ein utopisches Bild für die Reise durch die Luft, sondern bald auch kriegstechnisch im Einsatz. Diese Ambivalenz zwischen Sehnsucht und Bedrohung kommt im körperlichen Spiel der Inszenierung gut heraus.

Am Ende hängen alle in der Luft und warten. Und das Publikum wartet. Kommt jetzt der Applaus? Er kommt, er hört wieder auf. Weiter warten. Lange geht am Ende das Spiel der Verzögerung und lange noch einmal die trickreich choreografierte Applausanordnung. Bis man viel mehr geklatscht hat, als man eigentlich wollte. Da hat der gute Handwerker Fritsch sein Publikum fest im Griff.

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