Was ist Phase am Sonntag?: „Schwarz-Gelb wäre am fatalsten“
taz: Daniel Cohn-Bendit, worum geht ’s wirklich bei dieser Wahl?
Darum, in welcher Konstellation die Regierung in Berlin die europäische Herausforderung meistern will. Der französische Präsident Emmanuel Macron hat eine klare Ansage gemacht. So kann es nicht weitergehen mit Europa. Er will einen Eurozonenfinanzminister, er will Eurozoneninvestitionsfonds aus frischem Geld und er will die Basis der Unternehmensbesteuerung konvergieren lassen.
Und das heißt nun im Hinblick auf die Wahl am Sonntag?
Die fatalste Koalition, die herauskommen könnte, wäre Schwarz-Gelb, denn die FDP schwimmt, was Europa anbetrifft, fast auf AfD-Kurs und stützt die deutsche Hegemonievorstellung eines Wolfgang Schäuble. Deswegen muss jede Koalitionsüberlegung von dieser Tatsache ausgehen. Europa kann nicht vier Jahre warten, bis SPD und Grüne oder wer auch immer sich erneuert haben. Die Zukunft Europas wird sich in den nächsten vier Jahren entscheiden.
Jamaika?
Diese Konstellation würde für die Grünen eine Zerreißprobe bedeuten, aber die Grünen müssten sich in einer solchen Koalition als europäische Zukunftspartei erweisen und im Grunde genommen ein Bündnis mit Angela Merkel gegen die Strömung von Schäuble, Seehofer und Lindner eingehen.
Sie als Franzose haben mit dem Front National Erfahrungen gesammelt. Wie sollte man mit der AfD umgehen?
Die AfD wird in den Bundestag einziehen, sie ist nicht zu verhindern. Aber wenn die nächste Bundesregierung, in welcher Koalition auch immer, Erfolg hat, dann wird die AfD ohne Perspektive sein. Eines müssen sich in Deutschland alle klarmachen, die Merkels, Schäubles, Göring-Eckardts, Özdemirs: Alle waren erleichtert, als Emmanuel Macron gewählt wurde und nicht Marine Le Pen. Wenn Macron an der europäischen Front scheitern sollte, dann wäre diese Freude von kurzer Dauer.
Daniel Cohn-Bendit, 72, dreht momentan in Frankreich eine Doku über sein Geburtsland Frankreich. Er war Politiker und ist jetzt proeuropäischer Aktivist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen