Diskussion über Grüne und Jamaika: „Man muss ergebnisoffen rangehen“

Der frühere Bundestagsabgeordnete Wolfgang Wieland (Grüne) befürwortet Sondierungsgespräche seiner Partei über ein Jamaika-Bündnis.

Der Grüne Wolfgang Wieland (M.) und der frühere Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD, l.) Foto: dpa

taz: Herr Wieland, alte Grüne wie Jürgen Trittin, Claudia Roth und Winfried Kretschmann sind in das Jamaika-Sondierungsteam berufen worden. Hat Sie Frau Göring-Eckardt auch angerufen?

Wolfgang Wieland: Nein, ich habe mich ja auch aus der ersten Reihe der Politik verabschiedet. Die Entwicklungen verfolge ich aber weiterhin genau.

Was sagt Ihnen Ihr Bauchgefühl angesichts des Wahlergebnisses?

Alle, die sich über langweilige Debatten im Bundestag beschweren, werden sich noch wundern.

Politik wird wieder spannend?

Durchaus. Die Karten werden neu gemischt. Aber das ist zugleich ein tektonisches Beben. Der Einzug der AfD in den Bundestag ist eine böse Nachricht.

Der 69-Jährige saß für die Berliner Grünen von 2005 bis 2013 im Bundestag, davor 16 Jahre im Abgeordnetenhaus. Kurzzeitig war er auch Justizsenator.

Kann eine Jamaika-Koalition funktionieren?

Die offenbar ernst gemeinte Weigerung der SPD, mit der Union zu koalieren, zwingt uns, in Sondierungen und gegebenenfalls auch Koalitionsverhandlungen einzutreten. Es wird sehr schwer werden, aber man muss da ergebnisoffen rangehen.

Was ist für die Grünen unverhandelbar?

Seehofer hat gesagt, wir müssen die rechte Flanke schließen. Damit ist gemeint, nach rechts zu rücken und die AfD-Positionen selbst zu besetzen. Dass das für uns nicht infrage kommt, ist ja wohl klar.

Wo ist die Grenze?

Eine humane Flüchtlingspolitik und ein Einwanderungsgesetz sind für die Grünen nicht verhandelbar.

Seehofer wird mit der Obergrenze kommen.

Das Gute ist, dass die Union erst mal Koalitionsverhandlungen mit sich selber führt. In der Vergangenheit waren sich CDU und CSU ja oft nicht einig. Frau Merkel muss das mit Herrn Seehofer erst mal klar ziehen. Wenn die Bedingung ein Rechtsruck ist, war’s das für die Grünen.

Springt die SPD dann doch wieder als Koalitionspartner ein – oder gibt es Neuwahlen?

Neuwahlen wären ganz schlecht. Das würde der AfD aktuell noch einen Schub geben.

Kommen wir zu Berlin, wo die SPD mit 17,9 Prozent ein historisches Tief erreicht hat. Was ist der Grund?

Das schlechte Bundesergebnis hat sich auch auf Berlin ausgewirkt. Und dann macht man die Berliner SPD für den größten Passiv-Flughafen der Welt, den BER, verantwortlich. Das ist ja alles in der Ära Wowereit und Müller passiert. Das haben die Menschen nicht vergessen.

Das trägt man der SPD immer noch nach?

Der BER ist ja weiterhin ein ständiges Ärgernis, das Millionen kostet. Die Air-Berlin-Krise liegt auch an diesem nicht fertig werdenden Flughafen. Weitere Verbindungen von Berlin wurden deshalb gekappt. Aber ich warne davor, das überzuinterpretieren. Das war eine Bundestagswahl und keine Abstimmung über die Landespolitik. Auch der Ausgang des Volksbegehrens ist für den rot-rot-grünen Senat keine Katastrophe. Das Ergebnis für die Tegel-Befürworter war ja relativ knapp.

Ihre grüne Parteifreundin Canan Bayram hat es knapp geschafft, in Friedrichshain-Kreuzberg das Direktmandat zu holen. Bei den Zweitstimmen haben die Linken den Grünen den Wahlkreis abgenommen. Wie interpretieren Sie das?

Dass wir in diesem Ost-West- Wahlkreis in Konkurrenz zur Linkspartei liegen, ist nicht verwunderlich. Das muss nicht für immer sein. Immerhin hat es Canan Bayram ja geschafft. Angesichts der großen Schuhe, die Christian Ströbele zurückgelassen hat, war das nicht selbstverständlich.

Bayram hat bereits erklärt, einer Jamaika-Regierung die Stimme zu verweigern.

Das geht gar nicht. Man kann nicht – bevor überhaupt sondiert worden ist – sagen, das Ergebnis gefällt mir nicht. Da wird sie zurückrudern müssen.

Sie soll gleich beim ersten Mal umfallen?

Im ganzen Wahlkampf haben wir Grüne nie Gespräche über eine Koalition ausgeschlossen, außer mit der AfD, versteht sich. Das gilt auch für Canan Bayram. Oder, um Wolfgang Bosbach, den langjährigen CDU-Innenpolitiker, zu zitieren: Von Anfang an zu starten wie ein Pferd, das quer im Stall steht, ist keine gute Position.

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