piwik no script img

IsraelIm AfD-Dilemma

Die Stimme aus dem Ausland

von Polina Garaev

Deutschland-Korrespondentin für i24news

Israel atmet auf. Jetzt, da der Wahlkampf vorüber ist, haben deutsche PolitikerInnen nicht länger eine Entschuldigung, die jährlichen Regierungskonsultationen weiter hinauszuzögern. So können Deutschland und Israel sich wieder Wichtigerem zuwenden. In Israels Augen ist das vor allem der umstrittene U-Boot-Deal, den die Israelis unbedingt abschließen wollen.

Dass das Bundeskabinett in seiner letzten Sitzung vor der Wahl noch eine Richtlinie zu einer klaren Definition von Antisemitismus verabschiedete, deutet darauf hin, dass auch nach der Wahl der Kampf gegen Antisemitismus verstärkt werden soll. Das ist zwar für die jüdische Community in Deutschland ein gutes Zeichen. Die israelische Regierung hingegen schätzt eher diplomatischen Druck auf die EU und auf die Palästinenser.

Während des Wahlkampfs war klar: Wenn schon unter Merkel die deutschen Reaktionen auf die israelische Siedlungspolitik unerwartet hart ausfielen, was wäre von einem Kanzler Schulz zu erwarten – dem Mann, der letztes Jahr Palästinenserpräsident Mahmut Abbas im Europäischen Parlament applaudierte, als jener israelische Rabbiner beschuldigte, das Trinkwasser der Palästinenser vergiften zu wollen? Vor allem in einer möglichen Koalition mit der Linkspartei? Dann doch lieber Merkel, die Israels Sicherheit als Teil deutscher Staatsräson sieht.

Ein grundlegender Wandel ist der Erfolg der AfD – die einzige Partei, die vollständig Netanyahus Mantra übernommen hat, Israel sei das Schutzschild Europas gegen Gefahren aus dem Nahen Osten. Das verstärkt das Dilemma, das Israel seit dem Beginn des Aufstiegs der europäischen Rechtspopulisten beschäftigt: Wenn eine Partei, deren Mitgliedern immer wieder vorgeworfen wird, den Holocaust kleinzureden, sich plötzlich als der größte Fürsprecher israelischer Interessen hervortut – was soll der jüdische Staat tun?

Für viele Israelis in Berlin ist die Vorstellung der Rückkehr einer rechtsextremen Partei in den Reichstag schlicht Horror. Andere wiederum haben Angst vor einem neuen, von muslimischen Einwanderern importierten Antisemitismus, der – so ihre Befürchtung – jüdisches Leben in Deutschland bedrohe.

Natürlich ist das Eigeninteresse der AfD dabei, sich auf die Seite Israels zu stellen, allen klar. Und niemand wird vergessen, dass die Partei die Rechtmäßigkeit der deutschen Erinnerungskultur infrage stellt. Sollte diese scheinheilige Unterstützung also akzeptiert werden? Nicht mal ranghohe Offizielle im israelischen Außenministerium können dem zustimmen. Israels offizielle Politik, keinen Kontakt zu Europas Populisten zu halten, wird sich so schnell auch nicht ändern. Und wenn die deutsch-israelischen Beziehungen auf Kurs bleiben, wird das hoffentlich auch so bleiben.

Übersetzung: Johanna Roth

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen