: Gutmensch? Jetzt erst recht!
HALTUNG Gutes tun lohnt sich immer noch, findet die Philosophin Hilal Sezgin
Ums Gute steht’s schlecht. Wer Gutes tut, wird immer häufiger verächtlich gemacht, verspottet, mindestens aber entmutigt – nicht erst seit 2015, als das Schimpfwort „Gutmensch“ nicht nur in Mode, sondern sogar schon wieder zum „Unwort des Jahres“ gewählt worden war. Solche „Gutmenschen-Verachtung“, schreibt die Philosophin, Tierrechtlerin und taz-Autorin Hilal Sezgin in ihrem jüngsten Buch, „droht wohlwollenden Menschen inzwischen fast überall – von anderen, die selbst auch nicht als Arschloch gelten wollen“.
Aber: „Nichtstun ist auch keine Lösung“ (DuMont 2017, 160 S., 14 Euro), so hat sie ihren elegant und ohne jeden moralischen Zeigefinger geschriebenen Essay betitelt. Denn „zu glauben, wir könnten weiterwurschteln wie bisher, trotz Putin, Trump, Neonazis und Erderwärmung – ist das etwa nicht naiv?“
Also fragt sich Sezgin erst mal, woher sie denn kommt, diese „do-gooder derogation“ – im Englischen gibt’s da nämlich längst ein Fachwort: Soll sie das unangenehme Gefühl überspielen, das sich angesichts der Verquickung von Moral und Eigennutz auftut, wenn andere sich besser, nämlich altruistischer verhalten als man selbst?
Dann sammelt Sezgin „Reservoire des Guten“: Die „erinnern uns an das, was Menschen zustande bringen, wenn sie sich zusammentun“. Im Sommer 2015 etwa, als viele nicht lange überlegen mussten, den Geflüchteten zu helfen, auch wenn die großen politischen Probleme dadurch nicht im Geringsten gelöst werden.
Darin liegt für Sezgin das Gute am Gutes-Tun: nicht in einem gerade in Mode kommenden „effektiven Altruismus“, der „für andere“ Gutes tut, sondern in einem bestimmten Handeln „mit anderen, im Einklang oder zumindest in Abstimmung mit ihnen“. Keine Aufopferung also, sondern gemeinsames politisches Engagement: für eine bessere Gesellschaft, für die anderen und auch für uns. Kurz vor der Bundestagswahl darüber nachzudenken: ganz bestimmt etwas Gutes. MATT
Do, 21. 9., 20 Uhr, Buchhandlung Christiansen, Bahrenfelder Straße 79, Hamburg
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