Herr Fuchs hört Wagner

Konzert Audiovisuelle Verführung: Wolfgang Voigt alias GAS im Funkhaus Berlin

Es stand keine Vorband auf dem Programm, als Wolfgang Voigt alias GAS am Samstagabend im Funkhaus in der Nalepastraße in Oberschöneweide auftrat; doch gab es sie. Wie auf Bestellung kam sie auf der angrenzenden Spree mit drei Schiffen daher, ihre Beleuchtung war blau, rot und grün, ihr Motorengeräusch ein geruhsamer, dabei markanter Basston. Mit einem solchen, er könnte ein Echo gewesen sein, eröffnete Voigt sein Konzert. Es fand im Saal 1 des DDR-Funkhauses statt, der vorher in ein neblig blaues Licht getaucht worden war, durch das die roten Kontrolllampen des Instrumententischs blinkten.

Voigt präsentierte sein aktuelles Album „Narkopop“, eine Platte, die den deutschen Wald mit den Mitteln elektronischer Musik ausmisst. Auf einer Streicherwoge, sie schälte sich aus dem brummenden Intro, kam das Grün hinzu. Es wurde auf den Bühnenhintergrund geworfen, den Voigt in der nächsten Stunde mit Videosequenzen aus Unterholz, Strauch- und Baumwerk, Wipfeln und Himmeln bespielte. Das Visuelle korrespondierte dabei mit dem Akustischen: Wo sich die Waldlandschaften in psychedelische Längsstreifen auflösten, geriet die Musik zu ausladendem Ambient; hingegen kündigte eine metronomstrenge Basstrommel den Moment an, da das florale Testbild wieder zu Wald und Flur wurde.

Klingt, als sei da jemand gründlich in die Pilze gegangen, oder? Tatsächlich ist Wolfgang Voigt als junger Mensch in den Königsforst bei Köln, seiner Heimatstadt, gezogen und hatte LSD im Proviant. Dabei blieb es aber nicht. Die Titel früherer GAS-Veröffentlichungen wie „Zauberberg“ und „Oktember“ lassen auf eine eingehende Beschäftigung mit der Romantik und ihren Anverwandten schließen, Voigts weitere Pseudonyme (er führt viele) wie Fuchsbau oder Wassermann nicht minder.

Da das Wort Romantik nun gefallen ist: Sie hat in der Linken zum Teil einen schlechten Leumund. Doch mit seinem Kniff, Samples von Richard Wagner zu manipulieren, glückt es Voigt, so wuchtige Themen wie das Mystische und Rauschhafte (das der Droge nicht zwingend bedarf) nicht denen zu überlassen, die damit regressive Identitätshuberei betreiben.

Voigts Musik verführt zum Hinschauen: Neben dem Funkhaus steht das Alte Kraftwerk Rummelsburg; in seinen Backsteinrissen wächst schon Gras. Die Straße kreuzte ein Fuchs in Richtung Plänterwald. Ob er bestellt war, hätte man ihn fragen können, doch hatte er es eilig.

Robert Mießner