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Videobeweis nach drei Jahren

Auftakt Ein 53-Jähriger soll bei Demos am 1. Mai Polizisten angegriffen haben und steht deswegen nun vor Gericht. Es ist der erste derartige Prozess nach den harten Urteilen gegen zwei G20-Gegner

Demo am 1. Mai 2014: PolizistInnen und DemonstrantInnen prallen aufeinander Foto: Markus Scholz/dpa

Eine Woche nach den harten Urteilen gegen G20-Gegner hat am Dienstag vor dem Amtsgericht der Prozess gegen einen 53-jährigen Hamburger begonnen, dem ebenfalls Gewalt gegen Polizeibeamte vorgeworfen wird – wenn auch lange vor dem Treffen der Staatschefs in Hamburg. Der Angeklagte soll bei den 1.-Mai-Demos 2014 und 2015 PolizistInnen angegriffen und einige verletzt haben. Zum Prozessauftakt schwieg der Angeklagte.

Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautet gefährliche Körperverletzung und schwerer Landfriedensbruch. Bei den Ausschreitungen am Rande einer Demo am 1. Mai 2014 soll der heute 53-Jährige einen Stein auf einen Polizisten geworfen haben. Dieser erlitt laut ärztlichem Attest eine Prellung am Oberschenkel und war eine Woche arbeitsunfähig. Dem Angeklagten wird zudem vorgeworfen, mit einer Holzstange auf PolizistInnen eingeschlagen zu haben. Einen am Boden liegenden Beamten soll er gegen Kopf und Oberkörper getreten haben, so sagte es der betroffene Beamte aus. Die Schutzhelme von zwei Beamten wurden beschädigt und mussten ersetzt werden.

Im Gerichtssaal wurden am Dienstag Videoausschnitte gezeigt, die die Taten des Angeklagten zeigen sollen. Die Verteidigerin des Angeklagten kündigte an, die komplette Sichtung des rund einstündigen Videomaterials zu beantragen, um einen vollständigen Eindruck vom Demo-Geschehen zu erhalten.

Entsprechende Beweisvideos für seine mutmaßlichen Taten vom 1. Mai 2015 lagen am ersten Verhandlungstag nicht vor, sollen aber bis zum nächsten Verhandlungstag beschafft werden. Bei dieser Demonstration „Das Proletariat kennt kein Vaterland“ kam es zu massiven Auseinandersetzungen zwischen DemonstrantInnen und Polizei. Der Angeklagte soll an diesem Tag mehrere Flaschen auf BeamtInnen geschleudert haben. Eine Polizistin bezeugte am Dienstag vor Gericht, er habe „massiv durchgezogen und dabei auf Polizeibeamte gezielt“.

Eine Zivilfahnderin, die als Demonstrantin getarnt an der Versammlung teilnahm und ebenfalls als Zeugin aussagte, habe den Angeklagten dabei beobachtet, wie er eine Steinplatte zerschlug und Teile davon in Richtung einer Polizeieinheit warf. Er habe einen Polizisten am Oberarm getroffen. Verletzt wurde offenbar niemand. Entsprechende Strafanträge von geschädigten BeamtInnen oder deren Vorgesetzten liegen jedenfalls nicht vor.

Dem Angeklagten wird erst jetzt der Prozess gemacht, da er erst im Frühjahr 2016 nach polizeiinternen Fahndungen identifiziert wurde. Ein Polizist hatte ihn auf einer Demonstration wiedererkannt. Am 14. September wird der Prozess fortgesetzt. Mindestens vier weitere Zeugen sollen aussagen. Ob auch ein Urteil gefällt wird, ist noch unklar. Marthe Ruddat

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