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Auf verlorenem PostenUnd – alles barrierefrei?

Direktkandidatin in Hessen:Tamina Janine Veit Foto: privat

Lahn-Dill – Hessen Auf Parteihierarchien hat Tamina Janine Veit keine Lust. Wahlkampf für sich und die Linke macht sie trotzdem.

Ich fall halt auf mit meinem Rolli“, sagt Tamina Janine Veit aus Wetzlar, lacht herb. Dass dem so ist, nutzt und bekämpft sie. Der Rollstuhl ist zentral für ihren Wahlkampf. Ein Unfall hat die 60-Jährige vor etwa zehn Jahren in die aktive Politik geführt. Ihr Ziel: die Gesellschaft zu mehr Inklusion bewegen.

Die Direktkandidatin der Linken für den Wahlkreis Lahn-Dill in Hessen kämpft mit dem Slogan „Selbstbestimmt leben jetzt! (nicht wirklich) um den Einzug in den Bundestag, denn das Direktmandat im Wahlkreis holte in den vergangenen zwei Jahren die CDU-Konkurrenz. Die Linke hat im Landkreis nur 36 Mitglieder. Ihre persönliche Erklärung dafür sucht Veit bei den „Etablierten“: „Den Leuten fehlt der direkte Kontakt zur Politik – statt der Bundestagswahl beschäftigen sie sich lieber mit ihrem persönlichen Kram.“

Dabei gebe es eigentlich potenzielle Linke-Wähler, findet sie. Besonders stark war die Linke im ländlichen Westen der Bundesrepublik allerdings nie.

Was sie täte, sollte sie wider Erwarten doch ins Parlament einziehen? „Ich habe noch keinen Gedanken daran verschwendet. Es wäre jedenfalls eine sehr schwierige Situation“, überlegt die Rentnerin.

Sie nutzt den Wahlkampf, um für ihre Herzensangelegenheit zu sensibilisieren: die Behindertenpolitik. Weil sie sowieso auffalle, wolle sie der Öffentlichkeit zeigen, wie ein inklusiver Umgang mit Menschen mit Behinderung aussehen muss: „Aktive Menschen mit Behinderung sind Normalität.“ Die Kreispolitikerin empört sich vor allem über Finanzminister Wolfgang Schäuble. Der lasse sich von seinen Bodyguards tragen – sie käme nicht mal in sein Wahlkreisbüro hinein, ohne Stufen überwinden zu müssen. Für Veit ist er besonders als Regierungsmitglied kein gutes Beispiel für ein selbstbestimmtes Leben. Auch die Bundesregierung fordere keine Barrierefreiheit bei privaten Neubauten.

Und wie macht die Frau Wahlkampf im Rollstuhl? Bei Einladungen müsse sie nachhaken: „Und – alles barrierefrei?“. Menschen mit Behinderung würden von vornherein ausgeschlossen, wenn Veranstalter*innen nicht die nötigen Bedingungen, wie Zugänge, Toiletten, Gebärdensprache, anbieten. Beim Plakatieren kann sie auch nur schwer unterstützen.

Sie denke ohnehin lieber und besser aus dem Hintergrund, als sich in Parteihierarchien einzugliedern. Und so will sie sich auch in den kommenden Wochen und darüber hinaus engagieren – mit ihrer Forderung nach einem „Design für alle“.

Antonia Groß

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