piwik no script img

Leistung lohnt sich nicht mehr

Studie Das deutsche Steuer- und Abgabensystem ist ungerecht. Geringverdienern bleibt weniger Geld von Mehrarbeit als Spitzenverdienern

BERLIN rtr | Das deutsche Steuer- und Abgabensystem ist nach einer Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) leistungsfeindlich und ungerecht. „Leistung lohnt sich nicht immer“, lautet der Befund der am Donnerstag veröffentlichten Studie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Für die Bezieher geringerer Einkommen könnten Mehrarbeit und Lohnzuwächse dazu führen, dass sie am Ende des Monates im Extremfall sogar weniger Geld im Portemonnaie hätten als zuvor. Andererseits könnten Spitzenverdiener von einem zusätzlich verdienten Euro deutlich mehr behalten. Grund für diese Ungerechtigkeit ist der Studie zufolge das Zusammenwirken von Steuer-, Abgaben- und Transfersystemen.

Die Autoren schlugen als Konsequenz daraus vor, mit Reformen sicherzustellen, dass sich Mehrarbeit und höhere Löhne speziell auch für untere Einkommensgruppen lohnen. Vor allem eine bessere Abstimmung der unterschiedlichen Transfersysteme könnte helfen. „Mehr Arbeit und Lohn müssen sich für die Krankenschwester genauso auszahlen wie für den Unternehmensberater. Dass sich Mehrarbeit lohnt, ist eines der Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft“, so der Vorstandsvorsitzende der Stiftung, Aart De Geus.

Die Studie untersuchte anhand von Musterhaushalten, welcher Anteil eines zusätzlich verdienten Euros wieder abgegeben werden müsste, etwa wegen Beiträgen zur Sozialversicherung, Einkommensteuern oder durch den Entzug von Sozialleistungen wie Wohngeld oder Kinderzuschlag. Das ist die effektive Grenzbelastung. So bleibe von einem hinzuverdienten Euro in einem Singlehaushalt mit einem jährlichen Bruttoeinkommen von 17.000 Euro nichts übrig. Bei einem Bruttoeinkommen von 75.000 Euro verbleiben dagegen 56 Cent. Ähnlich sieht es der Studie zufolge bei Ehepaaren mit zwei Kindern und einem Alleinverdiener aus. Bei einem jährlichen Bruttoverdienst von 40.000 Euro bleiben von jedem zusätzlich verdienten Euro nur 56 Cent netto übrig. Ein Haushaltstyp mit einem mehr als doppelt so hohen Einkommen kann von 90.000 Euro insgesamt 66 Cent behalten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen