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Die mit Entführern spricht

HELFERIN Ein fast unmöglicher Job: Die 30-jährige Langsi Emmanuella ist bei der UNO in der Zentralafrikanischen Republik für Kinderschutz zuständig

BANGUI taz | Das Mädchen war erst acht, als es seinen Vater verlor. Die Mörder, eine der vielen bewaffneten Gruppen der Zentralafrikanischen Republik, verschleppten das Kind 60 Kilometer weit und verlangten Lösegeld. Der Fall landete auf dem Schreibtisch der Kinderschutzbeauftragten der UN-Mission (Minusca), Langsi Emmanuella. Er wurde ihre Feuertaufe.

„Ich war gerade mal einen Monat vor Ort, da musste ich Verhandlungen einfädeln, damit das Mädchen freikommt“, erzählt sie. Die Gespräche mussten persönlich geführt werden und erforderten lange Reisen über schlechte Straßen. „Frühmorgens machte ich mich auf den Weg, mit einer Militäreskorte. Mein Herz klopfte. Unsere Politik ist, kein Geld zu zahlen.“ Am Ende war Emmanuella erfolgreich. „Nach stundenlangem Dialog, Verhandlungen und Erläuterungen, dass Kindesentführung ein Verbrechen sind, wurde mir das Mädchen übergeben. Ich war so glücklich. Wir sind sofort zu unserer Station zurückgefahren.“

Aber zum Feiern war es zu früh. Der Vater war tot, die Suche nach der Mutter begann. „Nach zwei Monaten fanden wir sie und luden sie zur Familienzusammenführung ein“, so Emmanuella. „Ein toller Moment: Acht Monate lang hatte jede der beiden gedacht, die andere sei tot.“

In diesem Erfolg sieht die 30-jährige Kamerunerin den Höhepunkt ihrer Arbeit. Die studierte Juristin mit einem britischen Abschluss in Peacebuilding und Diplomen in Jura und Völkerrecht von der Universität Yaoundé in ihrer Heimat Kamerun wollte immer schon für die UNO arbeiten. 1999, als sie in der siebten Klasse war, fand sie bei ihrem älteren Bruder das Buch „Fakten über die UNO“. „Das wollte ich auch. Also schrieb ich der Informationsabteilung in New York. Die Briefmarken habe mit meinem Schulessensgeld gekauft. Ich war ganz überrascht, als das Buch tatsächlich mit der Post ankam.“

Emmanuella studierte Jura, fiel aber durch die Aufnahmeprüfung für Kameruns prestigeträchtige Verwaltungsakademie Iric. Sie war frustriert. Doch dann stieß sie 2012 zum Jugendprogramm der Afrikanischen Union (AU) und wurde für ein Seminar in Benin nominiert – ihre erste Auslandsreise. Dann wurde sie in die Rechtsabteilung der AU-Kommission in Äthio­piens Hauptstadt Addis Abeba aufgenommen und zum weiterführenden Studium nach Großbritannien geschickt.

Seit März 2015 arbeitet Emmanuella bei Minusca als Kinderschutzbeauftragte. Tausende von Kindern in der Zentralafrikanischen Republik wurden von bewaffneten Gruppen zwangsrekrutiert – und die UN-Mission selbst wird wegen sexuellen Missbrauchs einheimischer Kinder kritisiert. „In einer Friedensmission hängt Kinderschutz mit allem zusammen“, so Emmanuella. „Ich führe Trainingsprogramme für die neuen Soldaten, Polizisten und Zivilangestellten der Mission durch.“ Außerdem kümmert sie sich um die Reintegration von ehemaligen Kindersoldaten und die Haftbedingungen für Jugendliche.

In männerdominierten Gesellschaften wie der Zentralafrikanischen Republik hat Emmanuella es nicht einfach, auch nicht in der UNO. „Manchmal wollen Männer, die man für Förderer hält, Sex im Tausch für Arbeitsaufträge. Das ist sehr frustrierend. Man muss das eigene Liebes- und Familienleben und viele andere Dinge opfern. Ich habe in Teams gearbeitet, wo ich die einzige Frau war – und wurde immer als das schwache Geschlecht behandelt, dem man vieles nicht zutraut. Ich muss mich immer beweisen, indem ich die Initiative übernehme“, sagt sie. „Natürlich kann ich auch nicht alle Probleme aller Kinder in Zentralafrika lösen – aber ich spüre die positive Wirkung meiner Arbeit. Und ich sehe bei den Kindern Hoffnung.“ Jean KassOngo

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