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Sturm und Anpassung

NOLDE-TV Klar: Auch der NDR gratuliert dem Künstler-Nordlicht – mit einer Stunde zu „Maler und Mythos“

Wieso hat der Alte die eigentlich nie gemalt, oder zumindest nicht so notorisch wie die Blumen oder stürmisches Gewölk? Auf Zugvögel, immer wieder Zugvögel setzt dieser neue Film über Emil Nolde: Mit ihnen eröffnet die Dokumentation von Autor und Regisseur Wilfried Hauke, und immer wieder müssen Kamerafahrten in luftiger Höhe herhalten zum Kitten kleinerer thematischer Sprünge, oder auch nur für die Stimmung.

„Die Zeit ist reif, das ganze Bild zu zeigen“, so schickt es der NDR voraus, und man ahnt, zumindest mit elementarem Wissen über den knorrigen Maler auf dem platten Land, worum es geht: Das ganze Bild zeigen, heißt aufräumen mit der Selbstinszenierung als von der Kunst getrieben und der schnöden Welt abgewandt; mit der Erzählung, da habe sich einer aus engsten Verhältnissen selbst befreit, durch eigener Hände Tun – wenn die auch nicht taten, was der strenge Vater wollte. Aber vor allem heißt es: geraderücken, was der Künstler so alles verbreitet und hochgehalten hat über sein angebliches inneres Exil während der Hitlerjahre.

„Niemand zuvor hatte diese Landschaft so gesehen wie er“, sagt aus dem Off der Kieler-Tatort-Kommissar-Darsteller Axel Milberg. „Der Maler Emil Nolde hat seine Heimat Nordfriesland zum Mythos gemacht. Wie sein eigenes Leben auch.“ Eine zutreffende, aber auch herzlich wenig präzise Aussage. Sie wird später glücklicherweise ausgeführt, und spätestens, weil ja auch die Nolde-Biografin Kirsten Jüngling auftritt (siehe Interview Seite 43), wär’s ja eh nicht mehr hochzuhalten, das jahrzehntelang so nützliche Bild vom unschuldigen Exzentriker.

„Was ist das Geheimnis des Mannes, der dieser kargen Landschaft solch eine Schönheit geben konnte?“, fragt Milberg am Anfang, und am Ende haben wir zumindest eine Ahnung: „Das ist ’ne schwere Ecke hier“, sagt etwa der Viehhändler Jovers Nissen. „Der Sommer ist herrlich, aber der lange Winter …“ – Seine Frau: „Aber da hat er ja Bilder gemalt“, Nolde also, „das hat er damit überbrückt, irgendwie.“

Dass einer, der dem Vater nie hat genügen können, dass so einer später umso mehr sein Glück abhängig macht von Anerkennung – und sei’s der des „Führers“: Heute seien wir so weit, darüber reden und „solche Sachen“ annehmen zu können, erzählt der jugendlich wirkende Direktor der Nolde’schen Stiftung, die diesen relativ kritischen Film selbst beauftragt hat.

Das „ganze Bild“ also ist ein Wandel in der Wahrnehmung, das Ende einer Verkrampfung, die vielleicht die eines ganzen Landes war: So gern hätte es sich freigesprochen von Schuld und eingereiht in eine Tradition des Weltläufigen, des Voranschreitenden – also wählte es einen zum Vorzeigekünstler, der das vorlebte. ALDI

„Emil Nolde – Maler und Mythos“: So, 11.30 Uhr, NDR Fernsehen. Am 2. 9., 16 Uhr, zeigt Wilfried Hauke den Film auf Schloss Gottorf

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