Reaktion auf die Justizreform: EU leitet Verfahren gegen Polen ein
Das Vertragsverletzungsverfahren wurde von der EU-Kommission wie angekündigt gestartet. Nun hat Polen einen Monat Zeit, darauf zu reagieren.
Brüssel (dpa) – Im Streit um die Justizreform hat die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen eingeleitet. Das teilte die Kommission am Samstag über den Kurznachrichtendienst Twitter mit. Die polnische Regierung habe einen Monat Zeit, um auf den Warnbrief als ersten Schritt zu reagieren. Die Kommission meldete erneut mehrere Kritikpunkte an der Justizreform an.
Vizepräsident Frans Timmermans hatte am Mittwoch in Brüssel ein Vertragsverletzungsverfahren angekündigt. Polens Regierung protestierte.
Die regierende PiS-Partei hatte in den vergangenen Wochen in Polen vier Gesetze verabschiedet, die nach Ansicht der EU-Kommission Rechtsstaat und Gewaltenteilung in dem ostmitteleuropäischen Mitgliedsland bedrohen. Ein Gesetz über die Landesjustizschule war schon Anfang Juni in Kraft getreten. Gegen zwei Gesetze zur Reform des Obersten Gerichtes und des Landesrichterrats (KRS) legte Staatspräsident Andrzej Duda am Montag Veto ein.
Dagegen unterzeichnete Duda am Dienstag ein Gesetz zur Reform der allgemeinen Gerichte. Demnach kann der Justizminister unter anderem Gerichtspräsidenten ernennen oder abberufen.
Unterschiedliche Pensionsalter für Männer und Frauen
Timmermans sagte am Mittwoch, die Kommission werde einen formalen Bescheid über ein Vertragsverletzungsverfahren versenden, sobald der Gesetzestext veröffentlicht sei. Brüssel stößt sich auch daran, dass dieses Gesetz unterschiedliche Pensionsalter für Männer und Frauen vorsieht.
Gegen Polen läuft schon seit Anfang 2016 ein Verfahren zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit, weil die Regierung aus Sicht der Kommission die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts (nicht identisch mit dem Obersten Gericht) beschnitt. Auf bisher zwei Empfehlungen hat Warschaus laut EU nicht zufriedenstellend reagiert. Nun schickt Brüssel eine dritte Empfehlung an Warschau.
Leser*innenkommentare
mister-ede
"Brüssel stößt sich auch daran, dass dieses Gesetz unterschiedliche Pensionsalter für Männer und Frauen vorsieht."
Das ist so nicht korrekt. Das Vertragsverletzungsverfahren wurde NUR wegen dieser Diskriminierung von Männern eingeleitet. Für die Überprüfung, ob die Rechtsstaatlichkeit durch das Gesetz ausgehebelt wird, müsste ein ganz anderes Verfahren eingeleitet werden, nämlich nach Art. 7 EUV. Darauf aber hat die EU bislang verzichtet. Vermutlich weil ein solches Verfahren bereits wegen der Änderungen am polnischen Verfassungsgericht gegen Polen läuft. Außerdem ist äußerst ungewiss, ob ein Verfahren nach Art. 7 EUV tatsächlich zu Sanktionen gegen Polen führt, weil dafür die Einstimmigkeit aller EU-Länder notwendig wäre und Ungarn bereits ankündigt hat, da nicht mitziehen zu wollen.
agerwiese
"Brüssel stößt sich auch daran, dass dieses Gesetz unterschiedliche Pensionsalter für Männer und Frauen vorsieht."
Sind die nicht in Übereinstimmung mit dem allg. Pensionsalter? Hatten wir wohl auch früher. Ich bezweifele, dass der Grund für die Angleichung (+ Erhöhung) hierzulande die Sorge um Gleichheit der Geschlechter war.
BTW, noch nie war eine Frau Präsidentin der EK und die gegenwärtige EK hat 19 Männer und 9 Frauen.