Der Musiker Arnim Teutoburg-Weiß ist der Frontmann der Beatsteaks, die gerade ihr neues Album vorgelegt haben. Weil er mit seiner Band doch einiges zu tun hat, kann Teutoburg-Weiß nicht so oft ins Stadion, wie der Union-Fan eigentlich möchte. Ein Gespräch über Leidenschaft, lausige Fußballlieder und überhaupt den Sound des Fußballs: „Die Fangesänge von Union finde ich tatsächlich sehr, sehr gut“
Interview Gunnar Leue
taz: Herr Teutoburg-Weiß, stimmt es, dass bei Ihrer Band, den Beatsteaks, alle fußballinfiziert sind?
Arnim Teutoburg-Weiß: Alle, bis auf unseren Bassisten Torsten.
Wie verfolgen Sie die Spiele, wenn Sie mit der Band auf Tour sind?
Im Tourbus haben wir Sky oder wir gucken auf Laptops. Wenn ich mal gar keine Zeit habe, verfolge ich den Liveticker. Aber am liebsten bin ich natürlich im Stadion.
Was ist für Sie der Sound des Fußballs?
Der Sound des Fußballs? Hui, warten Sie mal … Ich finde immer das Geräusch gut, wenn einer gegen den Ball tritt. Das ist für mich der Sound des Fußballs. Ich mag deshalb auch nicht beim Fußballgucken im Fernsehen, wenn die Mikrofone am Rasen nicht offen sind und man nicht hört, wie die Jungs kicken. Ich will das jedenfalls gern hören. Im Stadion gucken ist ja noch mal was anderes. Da gehört zum Sound des Fußballs unbedingt auch das Geräusch um einen herum, diese typische Stadionatmosphäre. Wenn das ganze Stadion auf der Seite der einen Mannschaft steht, und auf einmal pfeift der Schiedsrichter komisch, da bricht so eine bestimmte Emotion aus – das ist für mich auch der Sound des Fußballs.
Und rein musikalisch, an welche Fußballsongs oder Fangesänge denken Sie?
Als New Order zur Weltmeisterschaft 1990 „World in Motion“ rausbrachten, dachte ich das erste Mal, was für ein cooler Fußballsong. Natürlich auch, weil ich New Order ziemlich cool fand. Ich kannte ja immer nur die peinlichen Lieder der Deutschen. Die deutsche Nationalmannschaft hat doch immer danebengelegen. Wogegen es in England wirklich ein paar großartige Songs gibt: „Three Lions on the Shirt“ von Lightning Seeds und natürlich „You’ll Never Walk Alone“, auch wenn das mittlerweile ein bisschen überstrapaziert ist. Aber wenn man mal ein Livespiel von Liverpool im Fernsehen sieht, das klingt schon krass gut.
Zur Fußballmusik aus Deutschland fällt Ihnen gar nichts Positives ein?
Eigentlich nur ein Lied: „Ich habe eine Fahne“, das von Deichkind zur letzten Weltmeisterschaft veröffentlicht wurde. Es ging leider unter, obwohl es ein starkes Ding war – „Sklave, bau den Tempel auf/ Fifa, treibt das Vieh zusammen/ Einen Monat Tunnelblick/ Triple-Korn, Doppelsekt“, heißt es da zum Beispiel. Sonst fällt es mir wirklich schwer, gute Fußballlieder aus Deutschland zu nennen. Das ist mir oft viel zu schlagermäßig. Was Fangesänge angeht, da finde ich tatsächlich die vom 1. FC Union sehr, sehr gut. Aber das liegt natürlich auch daran, dass ich mit dem Verein so stark sympathisiere.
Wenn Sie im deutschen Fußballliedgut wenig interessante Produktionen finden: Haben Sie nicht den Ehrgeiz, daran was zu ändern?
Sehr gern, sofort. Es muss uns bloß jemand fragen.
Wieso fragen, die Beatsteaks könnten es doch von sich aus einfach machen.
Nee, so flink geht das nicht. Wir haben genug zu tun, und man muss sich dann ja auch eine Weile damit beschäftigen. Und wir würden es ja wahrscheinlich eh nur für eine Mannschaft machen, und die hat bereits ihr Stadionlied.
Nämlich Nina Hagens „Eisern Union“-Lied. Wie finden Sie es?
Musikalisch nicht mein Ding, aber das ändert nichts an der Liebe zu diesem Verein.
Also doch ein Vereinslied auch von Ihnen?
Ich könnte mir das vorstellen, wenn der 1. FC Union das will. Ich weiß zwar nicht, wie meine Bandkollegen das sehen, aber ich hätte Bock drauf.
Die nächsten Jubiläen stehen ja an. 2020 heißt es 100 Jahre Stadion An der Alten Försterei.
Das ist ja mal ein Datum, bis dahin könnte man das schaffen, wenn man die Sache richtig anschieben würde.
Wann waren Sie eigentlich das erste Mal an der Alten Försterei?
Der Mann: Arnim Teutoburg-Weiß, geboren 1974 in Berlin, stammt aus einer Artistenfamilie und hat in seiner Kindheit die ostdeutsche Artistenschule besucht. Teutoburg-Weiß war auch ein verheißungsvoller Fußballer, Karriere gemacht hat der Fan vom 1. FC Union Berlin aber als Gitarrist und Sänger der Beatsteaks. Mit dem Rapper Marteria arbeitete er in diesem Jahr unter dem Namen Teutilla beim Titel „Aliens“ zusammen.
Die Band: Die Beatsteaks stehen mit ihrem eingängigen Punkrock in Sachen Erfolg längst in der gleichen Reihe wie Die Ärzte und Die Toten Hosen. Der Durchbruch für die 1995 gegründete Berliner Band kam 2004 mit dem Album „Smack Smash“ und den beiden Hits „Hand in Hand“ und „I Don’t Care as Long as You Sing“. Mit ihren letzten beiden Alben – „Boombox“ (2011) und „Beatsteaks“ (2014) – schaffte es die Band auf Platz 1 der deutschen Albumcharts. Bei ihrem neuen Album "Yours" hat die Band unter anderem mit Deichkind und Farin Urlaub von den Ärzten zusammengearbeitet.
Die Termine: Veröffentlicht wurde „Yours", das achte Studioalbum der Beatsteaks, am gestrigen Freitag. Am 9. September hat die Band ihren Auftritt beim Lollapalooza-Festival in Hoppegarten. Und der 1. FC Union Berlin, sehr passabel in die neue Zweitliga-Saison gestartet, muss am Sonntag nach Düsseldorf. Beim nächsten Heimspiel erwartet Union am Freitag, 15. September, um 18.30 Uhr dann Eintracht Braunschweig in der Alten Försterei.
Das muss so 1986/87 gewesen sein, da war ich noch ziemlich klein.
Mit Ihrem Vater?
Ne, mit drei, vier Kumpels, die Unioner waren. Ich bin damals zu mehreren Vereinen gerannt, überall dahin, wo was los war in der Stadt.
Sie waren ein junger Schlachtenbummler?
Genau, mal hier, mal da. Ich war einfach fasziniert vom ganzen Drumherum beim Fußball. Ostberlin war ja zu der Zeit ziemlich grau, und für anderthalb Stunden war es dann mal bunt und frei. Ich stand immer mit offenem Mund im Stadion und fragte mich, was denn plötzlich mit den Menschen los ist. Das hat mich total fasziniert. Auch aus Zeitgründen bin ich dann lange nicht mehr bei Union gewesen, bis mich unser Manager Eric Landmann, der ja mittlerweile im Verein schwer engagiert ist, irgendwann wieder hingeschleppt hat. Wofür ich ihm sehr dankbar bin. Ich gehe sehr gern ins Stadion, wenn ich die Zeit habe.
Wie oft ist das?
Wenn ich in Berlin bin und nichts zu tun habe, bin ich sofort da, aber in diesem Jahr war das selten. Wegen der Konzerte und der Albumproduktion und weil ich noch Familie und ein kleines Kind habe. Da sind die Wochenenden oft heilig. Meine kleine Tochter will ich ja gern mal mit ins Stadion nehmen und sie sagt auch immer: Oh ja, Papa, aber wenn dann der Spieltag ist, hat sie doch keine Lust. Wenn ich die Spiele nicht im Stadion sehen kann, gucke ich sie mir zu Hause im Fernsehen an.
Stimmt es, dass Sie früher selbst Fußball gespielt haben?
Ja, bei einem Verein in Mitte. Und ich war kurz davor, in so eine Art Jugendauswahl aufgenommen zu werden. Dazu kam es aber nicht mehr, weil meine Mutter mich nicht mehr beim Fußball sehen wollte.
Was war passiert?
Meine Mutter hatte mich eines Tages zum Training begleitet, und dann war der Trainer blau. Völlig geschockt meinte meine Mutter zu mir: Der Mann ist ja betrunken, hier gehst du nie wieder her! Sie hat mich dann zum Turnen geschickt, obwohl ich dahin ja nun gar nicht wollte. Ich wollte wirklich Fußball spielen. Am Ende bin ich beim Schwimmen gelandet und war kurz davor, auf die Kinder- und Jugendsportschule zu kommen. Dann stellten sie jedoch fest, dass ich für einen Schwimmer nicht groß genug werde, und somit habe ich mich irgendwann der Musik zugewendet.
Sie haben da ja fast einen olympischen Fünfkampf durch …
… ja, meine Familie ist sehr sportlich. Ich komme halt aus einer Artistenfamilie, für uns war Sport immer ganz wichtig.
Wenn man sieht, dass Spitzenfußballer heute fast größere globale Popstars sind als Musiker – trauern Sie manchmal der verpassten Fußballerkarriere etwas nach?
Ne, ich bin wirklich glücklich, weil Musik auch immer meine erste Leidenschaft war. Soweit ich mich erinnere, saß ich mehr vor den Platten von meinem Papa, und erst abends ging der Fernseher zum Fußballgucken an. Aber es gibt tatsächlich viele Parallelen zwischen einem Fußballteam und einer Band: Fußball ist Teamwork und Gang-Sein.
Na ja, für viele Fußballer ist es wohl vor allem ein Job. Oder könnten Sie sich vorstellen, mal in einer anderen Band zu spielen?
Ne, überhaupt nicht. Ich spiele in dieser einen Band mein Leben lang, und dann ist jut. Wir sind nämlich eine Gang, eine richtig verschworene Mannschaft. Wenn der Produzent uns mal nicht mehr erreicht, ist das wie bei einem Fußballtrainer, der seine Mannschaft nicht mehr erreicht. Bei uns ist auch das Fußballvokabular voll drin. Wenn wir eine Tour starten und die ersten beiden Konzerte liefen noch nicht so, dann fallen im Tourbus so Worte wie: Wir liegen zwei null hinten, wird Zeit, dass wir jetzt ins Spiel finden. Andererseits haben wir es einfacher als Fußballer. Wenn ich mal danebensinge, ist das nicht so schlimm, weil vielleicht die Fans das Lied weitersingen. Wenn ein Stürmer einen Elfer verschießt und der Aufstieg verpasst wird – da lastet bei den Jungs auf dem Rasen viel größerer Druck als auf einer Musikkapelle.
Bei einer erfolgreichen Indie-Band kommt dann der „Früher waren sie besser“-Vorwurf meist automatisch …
Stimmt. Vor vielen Jahren hat mal jemand zu mir gesagt: Wenn die Leute über deine Entwicklung streiten, bist du erfolgreich! Ich habe damals überlegt: Wie meint der denn dit? Ich finde aber, dass wir noch die gleichen Pfeifen sind wie früher. Wir versuchen nur, uns nicht immer zu wiederholen, ehrlich zueinander zu sein und den Leuten nichts vorzumachen. Wir reißen uns den Arsch auf für unsere Platten und Konzerte, und ich hoffe, die Leute merken das. Wenn sie es nicht merken und einfach nur eine gute Zeit haben, ist’s aber auch okay. Wir machen unser Ding, im Prinzip sind wir sogar sehr eigenbrötlerisch. Mein Vater sagte mal, wir seien so eine Inselband.
Eine doch ziemlich große Inselband.
Ja, weil wir einander vertrauen. Weil wir sehr unterschiedlich sind und auch verschiedene Geschmäcker haben, müssen wir in der Band auch immer eine Art Konsens finden, ohne dass die Musik darunter leidet. Das ist eine große Kunst und Herausforderung.
Union Berlin sieht sich ja auch als eine Art Inselverein im Profigefüge, weil der Verein seine Eigenständigkeit bewahren will. Ist es heute noch dasselbe wie früher, was Sie an Union fasziniert?
Was mich fasziniert, auch heute, ist diese Ecke Köpenick und diese Bezirksmannschaft Ostberlin mit einer sehr eigenen Fankultur und einem für die Größe sehr lautem Stadion. Ich finde die Farben Rot-Weiß extrem gut. Ich mag, dass es irgendwie noch so ein verträumter Verein ist. Ich mag diesen Lederball im Logo, dieses Oldschoolige. Trotzdem hoffe ich, dass er nicht ganz so doll darauf hängen bleibt, denn Mannschaften und Klubs entwickeln sich auch mit der Zeit.
Also nicht zu sehr im Oldschooligen hängen bleiben?
Ich glaube, dass der Verein den Spagat hinkriegen muss, sich weiterzuentwickeln, um zu bestehen. Man kann nicht so tun, als ob 1972 ist, sondern man muss im Hier und Jetzt agieren – was der Verein ja tut. Diesen Spagat kenne ich sehr gut. Früher fragte unser Manager: Gehen wir jetzt zu „Schlag den Raab“ oder nicht? Darauf wir: Ne, wir müssen dem größeren Publikum anders näher kommen. Spielen wir bei „Rock am Ring“? Ja klar, obwohl wir mit den anderen Bands dort nichts zu tun haben. Wir reden über jeden Schritt von unserer kleinen Combo.
Fachsimpelt ihr mit Musikerkollegen wie Campino oder Marteria backstage bei Festivals über Fußballdinge?
Klar, mit Campino dauert es keine zehn Minuten, dann sind wir beim Thema, mit Marten ist es genauso. Ich höre mir gern ihre Sorgen und Freuden mit ihren jeweiligen Vereinen an, was sie so an Geschichten zu erzählen haben, aus Liverpool oder aus Rostock.
Und Sie erzählen von Union?
Na klar. Ich erzähle, wie man sich fühlt, wenn man Tabellenführer ist und genau merkt, wie die Mannschaft davon nervös wird. Wie in der vergangenen Saison der Hype kam, das war auch für mich als Fan interessant zu beobachten. Im Frühjahr waren die Jungs noch nicht reif. Wenn man reif ist, geht man übrigens auch nicht mit dem Willen in die Erste Bundesliga, gleich wieder abzusteigen.
Ein Jahr Urlaub oben in der Ersten Liga als Ziel von Union ist Ihre Haltung nicht?
Nö. Der Trainer und die Mannschaft bleiben ja zusammen, und wenn man dann mit gutem Fußball hochrauschen kann, dann wäre es doch schön, wenn man sich zwei, drei Jahre dort mit gutem Fußball halten würde. Dann wäre auch der Union-Fan happy. Der kommt doch nicht ins Stadion, um endlich mal den FC Bayern zu sehen, sondern den 1. FC Union.
Ein Wort zu Hertha?
Hertha war mir immer zu weit weg. Ist halt Westberlin, und ich bin in Ostberlin groß geworden. Bis ich 16 war, gab es auch gar keine Chance, ins Olympiastadion zu fahren. In den Jugendjahren legt man sich halt fest.
Union und das Ostding?
Also mit Ostalgie tue ich mich schwer. Wenn ich von Ostberlin rede, meine ich aber nicht gleich DDR, sondern so eine gewisse Ecke in der Stadt. Das Köpenickding. Ich bin gerne dort. Wir sind ja in der Band alles Ostberliner plus einem Schwaben, der seine Ostler aber alle mag und zu schätzen weiß. Thomas, unser Schlagzeuger, sagt dann: Ach, jetzt haben sie wieder so ein Ostlerding am Start. Irgendwat haben sie im Kopf, positiv und negativ.
Ein Chant der Union-Fans lautet „Wir sind eure Hauptstadt, ihr Bauern“. Komisch oder Köpenicker Größenwahn?
Ne, is all right. Wenn die Fans frech werden, gefällt mir das. Was ich furchtbar finde, ist aber so dieses „Sieg! Sieg!“ bei Länderspielen der deutschen Nationalmannschaft. Wenn Fantasie und Humor im Spiel sind und auch dieses Stinkefinger- „Hey come on“, das finde ich super. Mit so hirnlosem Kram, damit kann ich nichts anfangen.
Das Stadion An der Alten Försterei wird bald umgebaut. Wie wäre es mit dem Eröffnungsgig?
Wir wollen schon seit Jahren im Stadion spielen, aber leider gab es immer Probleme wegen der Lautstärke für die Nachbarn. Wir würden uns ein Bein ausreißen, da zu spielen. Im Moment lässt sich ein Beatsteaks-Konzert hier nicht verwirklichen, aber wir haben ja über unseren Manager einen heißen Draht zum Verein. Wenn es so weit ist, sind wir nicht weit weg.
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