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Festnahme bleibt rätselhaft

Türkei Der Bundesregierung ist nur ein altes Fahndungsersuchen gegen Doğan Akhanlı bekannt

BERLIN taz | Die Umstände, die zur Festnahme des Schriftstellers Doğan Akhanlı in Spanien geführt haben, bleiben weiterhin unklar. Offen ist vor allem, ob die spanische Polizei den Deutschen wegen eines alten Fahndungsersuchens oder wegen aktueller Hinweise aus der Türkei festgenommen hat.

Nach Angaben der Bundesregierung hatten türkische Behörden unmittelbar vor der Festnahme kein neues Ersuchen über Interpol übermittelt. Eine solche „Red Notice“ hätte auch die Bundesregierung erreichen müssen, dies sei aber nicht der Fall gewesen. Das letzte entsprechende Ersuchen stamme aus dem Jahr 2013, als ein türkisches Gericht einen Freispruch gegen den Schriftsteller in Abwesenheit aufgehoben hatte. „Uns ist bekannt, dass es 2013 diese Red Notice gab und die in Deutschland nicht umgesetzt wurde. Uns ist nicht bekannt, dass es in jüngster Zeit eine Erneuerung dieser Red Notice gab“, sagte eine Sprecherin des Innenministeriums am Montag.

Anders als in ähnlichen Fällen habe Interpol das Ersuchen damals nicht mit dem Hinweis versehen, dass es sich um ein politisch motiviertes Verfahren handeln könnte. Denkbar ist theoretisch, dass die spanischen Behörden Akhanlı wegen dieser alten Red Notice festnahmen. Rätselhaft wäre in dem Fall aber, woher die spanische Polizisten den Aufenthaltsort des Schriftstellers kannten, den sie zielgerichtet in seinem Hotelzimmer festnahmen. Eine mögliche Erklärung: Spanien bekam kurzfristig einen direkten Hinweis von türkischen Stellen, die Akhanlı im Blick hatten. „Es kann sein, dass wir nicht eingebunden werden, wenn Interpol Ankara sich direkt an Interpol Madrid wendet. Ob das in diesem Fall so war, wissen wir nicht“, sagte eine Sprecherin des Justizministeriums.

Gewarnt hat die Bundesregierung den Schriftsteller offenbar weder 2013 noch in den vergangenen Monaten. Aus dem Innenministerium hieß es am Montag, das türkische Wiederaufnahmeverfahren gegen Akhanlı sei 2013 „Gegenstand von Bericht­erstattung gewesen“, sodass dieser mit einem Festnahmeersuchen habe rechnen können. Akhanlı selbst sagte am Montag aber zu Spiegel Online: „Ich wusste nicht, dass sie mich im Ausland per Interpol suchen.“ Tobias Schulze

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