: Wolfsburg rennt hinterher
Fußball Der VfL Wolfsburg verliert gegen Borussia Dortmund mit 0:3. Eigentlich ersehnte sich der Verein in der neuen Saison einen Neustart. Daraus wurde nichts – auch weil ein harter Kern an Fans Krawall suchte
von Christian Otto
Von einem Neustart ist die Rede. Nach einer Saison voller Angst vor dem Abstieg möchte der VfL Wolfsburg eine Spielzeit 2017/18 erleben, in der es wieder einen Schritt nach vorne geht. Aber die Bilanz des 1. Spieltages nach dem Heimspiel gegen Borussia Dortmund fällt ernüchternd aus. Die Partie ging mit 0:3 (0:2) verloren. Ein Teil der eigenen Fans hat sich im Tonfall vergriffen und während der 2. Halbzeit Krawall gesucht. Am Ende stand der um Besserung bemühte VfL Wolfsburg wieder ganz unten in der Tabelle und gab auch rund um die Fanproblematik kein gutes Bild ab.
Der harte Kern der Fans beleidigte den Deutschen Fußball-Bund mit Sprechchören und Transparenten und versuchte, einer Provokation von Dortmunder Anhängern mit Gewalt zu begegnen und den „gegnerischen“ Block zu stürmen. „Das geht uns Spieler nichts an“, sagte Torjäger Mario Gomez. Selbst der Meinungs- und Wortführer beim VfL wusste nicht, was davon zu halten war.
Das Miteinander zwischen Fans, Spielern und Verein ist in Wolfsburg ein besonderes. Zuletzt hatte es bemerkenswerte Annäherungen gegeben. Derzeit läuft in einem Wolfsburger Theater der Kinofilm „20 – DER Stress lohnt sich “. Er ist von Fans für Fans gemacht und beleuchtet auf einfühlsame Art, wie sich die Fanszene in den 20 Jahren entwickelt hat, in denen der VfL Wolfsburg lückenlos in der 1. Fußball-Bundesliga vertreten war. Es ist ein leidenschaftliches Werk geworden, das verdeutlicht, wie stolz Fans auf leistungswillige Spieler sein können.
Im Heimspiel gegen Dortmund hat sich die aktuelle VfL-Mannschaft bemüht, war aber unter dem Strich überfordert. Sie hätte die volle Unterstützung ihrer Fans benötigt.
Vielleicht wird es bald wieder gelingen, sich auf das Wesentliche zu besinnen. Denn rein sportlich betrachtet ist der VfL Wolfsburg ein Verein mit einer guten Perspektive. Dank der Unterstützung durch den Volkswagen-Konzern sind traumhafte Möglichkeiten entstanden. Vor allem Sportdirektor Olaf Rebbe wird daran gemessen, wie viel Gutes sich daraus machen lässt.
Olaf Rebbe, Sportdirektor VfL Wolfsburg
„Es war ein ernüchternder Tag. Die Dortmunder haben uns laufen lassen“, sagte Rebbe nach dem 0:3 – jener Mann, der maßgeblich über die Zusammensetzung des Wolfsburger Spielerkaders entscheidet. Am Sonntag teilte Wolfsburg mit, den Nachwuchsspieler Elvis Rexhbecaj zum Profi gemacht zu haben. Der 19 Jahre alte Mittelfeldspieler bekam einen Vertrag bis 2020. Prominente Profis wie Ricardo Rodriguez (AC Mailand), Luiz Gustavo (Olympique Marseille) und Diego Benaglio (AS Monaco) sind indes verkauft worden. In die Anfangself für das Heimspiel gegen Dortmund hatten es mit Ignacio Camacho (FC Malaga), Paul Verhaegh (FC Augsburg), Felix Uduokhai (1860 München) und Kaylen Hinds (Arsenal London) vier Neuzugänge geschafft. Sie konnten ihr Potenzial nur andeuten. Gegen die Spielfreude und Dominanz von Borussia Dortmund war das gesamte Team machtlos.
Viele der wirklich guten Wolfsburger Spieler sind verletzt. Mit John Anthony Brooks von Hertha BSC Berlin fehlt derzeit der teuerste Neuzugang. Die meisten anderen Zukäufe fallen noch unter die Kategorie „Perspektivspieler“. Unter dem Strich muss man sich um den VfL Wolfsburg keine Sorgen machen. Aber es ist auch abzusehen, dass sich der Meister von 2009 und Pokalsieger von 2015 erst einmal von hohen Ansprüchen und der einstigen Zielsetzung von einer Teilnahme an der Champions League verabschiedet hat. „Ein bisschen Demut tut uns ganz gut“, sagt VfL-Entscheider Rebbe, wenn er erklären soll, welcher Philosophie und Strategie der Fußball-Standort Wolfsburg künftig folgt.
Die Transferpolitik fällt deutlich defensiver aus als noch in den vergangenen Jahren. „Arbeit, Fußball, Leidenschaft“ lautet der neue Slogan, unter dem der VfL Wolfsburg auftritt. Die Fans haben den großen Wunsch, einer Mannschaft zuzujubeln, deren Spieler sich mit der Stadt Wolfsburg und dem VfL auch wirklich identifizieren.
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