Air Berlin fliegt trotz Absturz

Himmel Großaktionär Etihad dreht den Geldhahn zu, die Fluggesellschaft muss Insolvenz anmelden. Es geht aber zunächst weiter: mit 150 Millionen Euro Staatskredit

Trudelt schon länger: Air Berlin Foto: Fabrizio Bensch/reuters

Von Kai Schöneberg

BERLIN taz | „Typisch #airberlin“, witzelte es auf Twitter. „Selbst der Insolvenzantrag kommt mit gewaltiger Verspätung.“ Seit 2009 fährt Deutschlands zweitgrößte Airline fast ununterbrochen Verluste ein, am Dienstag meldete Air Berlin Insolvenz an. Man sei „zu dem Ergebnis gekommen, dass für die Air Berlin PLC keine positive Fortbestehens­prognose mehr besteht“, teilte die Airline mit. Am Freitag hatte Großaktionär Etihad eine angekündigte Geldspritze in Höhe von 50 Millionen Euro versagt.

Dennoch geht der Flugbetrieb vorerst weiter: Die Bundesregierung erklärte sich umgehend bereit, die Airline mit einem Überbrückungskredit in Höhe von 150 Millionen Euro zu unterstützen – wohl um mitten in den Sommerferien und kurz vor der Bundestagswahl Chaos zu vermeiden. So soll der Flugbetrieb bis Ende November gesichert werden. Täglich transportiert Air Berlin derzeit 80.000 Passagiere. Die Belegschaft zählt laut Geschäftsbericht 8.500 Beschäftigte. „Wir haben große Sorge um die Arbeitsplätze“, erklärte die Gewerkschaft Verdi.

1978 war Air Berlin von einem US-Piloten gegründet worden, der in der Ölkrise arbeitslos geworden war. Ein Jahr später flog die erste Air-Berlin-Boeing-707 von Tegel nach Mallorca. Nach der Wende expandierte der einstige LTU-Manager Joachim Hunold kräftig: Seit 1998 flog Air Berlin im Liniengeschäft nach Mallorca. 2004 stieg Hunold bei Niki, einer Airline des einstigen Rennfahrers Niki Lauda, ein, 2007 kaufte er LTU. Doch seit 2008 kam Air Berlin zunehmend ins Trudeln: Die Übernahme des Ferienfliegers Condor scheiterte, die Belegschaft litt unter immer neuen Sparprogrammen, von den einst 170 Maschinen sind heute noch 75 übrig. 2012 stieg die Staatsairline Etihad aus Abu Dhabi mit fast 30 Prozent ein. Doch Air Berlin flog weitere Defizite ein, 2016 etwa 780 Millionen Euro. Die Lage verschärfte sich im März mit dem Sommerflugplan: Ausfälle und Verspätungen häuften sich. Zwischen Januar bis Juli sank die Zahl der Fluggäste um 16 Prozent.

Mit dem Marktführer Lufthansa und einer weiteren Fluggesellschaft – offenbar Easyjet – liefen bereits Verhandlungen über die Übernahme von Teilen von Air Berlin, erklärte Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD). Diese könnten in wenigen Wochen abgeschlossen werden. Eine Übernahme von Teilen der Air Berlin durch die Lufthansa wäre unproblematisch, sagte Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Die Kartellfrage stelle sich nicht, weil es sich nicht um eine Komplettübernahme handele.

Easyjet und Lufthansa sind an Air Berlin interessiert – aber ohne die Schulden

Die Lufthansa hatte sich bereits am Kauf interessiert gezeigt. Bedingung sei aber, dass die Berliner vorher ihre Schulden in Höhe von 1,2 Milliarden Euro komplett abbauten, sagte Lufthansa-Chef Carsten Spohr Anfang Mai. Die beiden Firmen sind bereits miteinander im Geschäft: Die Kranich-Linie mietet vom Rivalen bisher schon 38 Flugzeuge einschließlich deren Crews.

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