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Bombe gegen Gentrifizierung?

Kriminalität Explosion in leerem Haus war möglicherweise gegen Immobilienhai gerichteter Anschlag

DRESDEN taz | Wenn ein Sprengsatz in einem leer stehenden Dresdner Wohnhaus eine Wand herausdrückt und parkende Autos beschädigt, werden wohl kaum halbwüchsige Bastler ein pyrotechnisches Experiment gestartet haben. Dennoch ermittelt das für Gewaltkriminalität von rechts und links in Sachsen zuständige Operative Abwehrzentrum OAZ auch in diese Richtung, erklärt Sprecherin Kath­leen Doetsch. Zur Mittagszeit hatte sich am vergangenen Dienstag in der Dresdner Inneren Neustadt eine Explosion ereignet. Menschen kamen nicht zu Schaden. Der Spiegel berichtet nun von einem möglichen politischen Hintergrund, da das Haus für ein nobles Wohnprojekt der Berliner CG-Gruppe abgerissen werden soll.

CG war bereits in Berlin und in Leipzig Opfer von Anschlägen oder Farbattacken. CG-Chef Christoph Gröner wurde in Berlin vor einigen Wochen von schwarz vermummten Menschen bedroht, konnte diese aber in die Flucht schlagen. In Dresden ist die Gruppe dabei, ein 85 Millionen Euro teures Mietwohnprojekt zwischen der barocken Königstraße und dem Bahnhof Neustadt zu verwirklichen. In den „Königshöfen“ werden künftig Mieten in der Größenordnung um 12 Euro je Quadratmeter fällig. Ein denkmalgeschütztes neobarockes Gebäude wird in den Komplex einbezogen und saniert.

„Für Außenstehende ist nicht ersichtlich, dass das unansehnliche und abrissreife Haus Teil des CG-Projektes ist“, begründet OAZ-Sprecherin Doetsch die Übernahme der Ermittlungen durch das Abwehrzentrum. „Das war nur Insidern bekannt!“ Deshalb kämen als Täter auch linksautonome Kreise in Betracht, auch wenn formal in alle Richtungen ermittelt wird. Antikapitalistische Einstellungen und der Protest gegen Gentrifizierung in Großstädten seien durchaus denkbare Motive. Verbindungen zur Berliner Hausbesetzerszene würden geprüft. „Wir stehen aber noch ganz am Anfang“, betont die Sprecherin. Es gibt kein Bekennerschreiben, keine Hausdurchsuchungen, keine Festnahmen.

Der Sprengsatz soll aus „Polen­böllern“ gebaut worden sein

Überrascht zeigt sich das OAZ von der „immensen Wirkung“ des Sprengsatzes. Die sei auch im Vergleich mit Anschlägen auf Asylbewerberheime von ungewohnter Stärke. Verblüfft zeigt sich OAZ-Sprecherin Doetsch von entsprechenden Details, die der Spiegel veröffentlicht. Demnach wäre der Sprengsatz aus sogenannten Polenböllern konstruiert worden. Auf Märkten in Polen und Tschechien oder im Internet kann man Pyrotechnik erwerben, deren Gebrauch in Deutschland verboten ist und deren Einsatz als Silvesterknaller schon schwere Verletzungen verursacht hat. Die Bombe soll offenbar per Funk gezündet worden sein. Im OAZ fragt man sich, woher der Spiegel dieses „Täterwissen“ beziehe. Solche Informationen stammten jedenfalls nicht aus Kontakten mit dem Abwehrzen­trum. Ansonsten hält man sich mit Details über den gebastelten Sprengsatz bedeckt und verweist auf die laufenden Ermittlungen. Michael Bartsch

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