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US-Neonazi rast in linke Demo-Gruppe

Rechtsradikale Tausende Rassisten treffen in Charlottesville auf die Gegenwehr von linken Gruppierungen

Aus New York Dorothea Hahn

„Unite the Right“ – Vereinigt die Rechten –, so lautete der unmissverständliche Aufruf für das Wochenende in Charlottesville. Rechtsradikale aus allen Ecken der USA folgten ihm: von Mitgliedern der Traditional Workers Party über die National Socialist Group und die American Van­guard bis hin zum Ku-Klux-Klan. Am zweiten Tag ihres Aufmarsches, der die Universitätsstadt in Virginia in Angst und Schrecken versetzte, lag am Samstag eine 32-jährige Gegendemonstrantin tot auf dem Asphalt. „Wer sich nicht empört, schaut einfach nicht hin“, hatte Heather Heyer als letzten Eintrag vor ihrem Tod auf ihrer Facebook-Seite geschrieben.

Ein 20-jähriger Mann aus Ohio, der zu dem Rassistentreffen gereist war, hatte seinen Sportwagen am Samstag in rasanter Geschwindigkeit in eine Gruppe von GegendemonstrantInnen gelenkt. Nachdem er Heather Heyer getötet und 19 andere Menschen teils lebensgefährlich verletzt hatte, fuhr James A. F. fast ebenso schnell rückwärts aus der Straße wieder hinaus.

Für AugenzeugInnen der Szene gab es keinen Zweifel daran, dass er töten wollte. Auch die Polizei von Charlottesville, die den 20-Jährigen inzwischen in Gewahrsam nahm, erklärte: „Es schien absichtsvoll.“ Auf der Facebookseite des 20-Jährigen gibt es Hakenkreuze, Hitlerzitate und andere Sympathieerklärungen für Nazis.

Die Neonazis und anderen Rechtsradikalen waren mit schwer bewaffneten Milizionären in militärischen Uniformen gekommen. Offiziell ging es ihnen darum, gegen den Abriss der Reiterstatue für Robert E. Lee zu demonstrieren, den General, der im US-Bürgerkrieg die Nord-Virginia-Armee der Konföderierten angeführt hatte. Doch die meisten Slogans der Rechtsradikalen bezogen sich auf das 21. Jahrhundert. Die Hommage an den Bürgerkriegsgeneral diente als Vorwand, um ihren Machtanspruch zu dokumentieren. Am Freitagabend zogen Hunderte von ihnen mit Fackeln durch den Campus der Universität von Virginia. Anders als bei den nächtlichen rassistischen KKK-Treffen zeigten sie sich offen. Zu sehen waren fast ausnahmslos junge, weiße Männer, die körperlich außergewöhnlich gut trainiert aussahen. In verschwindend kleiner Zahl waren Frauen und ein paar Männer mit anderen Hautfarben dabei. Auf den T-Shirts der Fackelträger waren NS-Symbole sowie die Flagge der Konföderierten zu sehen, die im Bürgerkrieg von 1861 bis 1865 die Sklaverei verteidigt hatten. Unter den Teilnehmern waren Jungs, die sich auf Twitter mit Selfies schmückten, die sie mit Donald Trump im Wahlkampf zeigen. Die Fackelträger skandierten: „Juden werden uns nicht ersetzen!“

Linke Gruppen hatten zum Protest gegen die Versammlung aufgerufen: von Antifa-Gruppen über Black Lives Matter, Frauen- und Friedenstruppen bis hin zu zahlreichen Kirchengemeinden. Auch die GegendemonstrantInnen waren mehrheitlich jung. Aber in ihren Reihen waren Frauen und Menschen mit nichtweißen Hautfarben zahlreich vertreten. Das Hauptquartier der GegendemonstrantInnen in Charlottesville war eine schwarze Baptistenkirche. Von dort aus zogen prominente Kleriker aus dem ganzen Land immer wieder zu den rechten Fackelzügen und Aufmärschen. Viele Kirchenvertreter waren in ihren Dienströcken gekommen, sie hakten sich gegenseitig unter und sangen Gospellieder. Ihnen gegenüber, meist nur eine Armlänge entfernt, standen Milizionäre mit Schnellfeuerwaffen über der Schulter. Virginia erlaubt das offene Waffentragen.

Die Stimmung in der Stadt war schon am Freitagabend bis zum Äußersten angespannt. Die Polizei hatte zwar Barrieren aufgestellt, um die beiden Lager voneinander zu trennen, aber es kam immer wieder zu handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen Antifa und Unite the Right. Auf ihren Facebookseiten beklagten Neonazis sich darüber, dass die Polizei sie nicht angemessen schützte und dass sie gezwungen wurden, durch ein Spalier von GegendemonstrantInnen zu ziehen, in dem sie beschimpft und angeblich mit Exkrementen beworfen wurden.

Der radikal rechte Aufmarsch war legal. Aber sowohl die Universitätspräsidentin als auch der Bürgermeister von Charlottesville wie der Gouverneur des Bundesstaates haben ihn heftig kritisiert. Bürgermeister Mike Signer sagte über Trump: „Ich hoffe, dass er in den Spiegel schaut und darüber nachdenkt, mit wem er sich in seiner Kampagne zusammengetan hat.“ Gouverneur Terry McAuliffe verhängte den Ausnahmezustand in der Stadt und rief den Neonazis und anderen Rechtsradikalen zu: „Verschwindet. Ihr seid gekommen, um Menschen zu verletzen. Weder in Virginia noch in den USA ist Platz für euch.“

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