: Wer nicht spurt, wird abgesetzt
Venezuela Militäreinheit ruft zum Kampf gegen die Regierung auf. Die will aber alles im Griff haben. Die aufmüpfige Generalstaatsanwältin wurde derweil schon mal entlassen
Aus Buenos Aires Jürgen Vogt
Erstmals haben die Proteste in Venezuela gegen den sozialistischen Staatspräsidenten Nicolás Maduro Einheiten des Militärs erfasst. In der venezolanischen Stadt Valencia hat es am Sonntag einen Militäraufstand gegeben. Der Aufstand ereignete sich im Komplex Paramacay, 170 Kilometer westlich von Caracas. Einer der Wortführer, Offizier Juan Caguaripano, soll mitgeteilt haben, dass man sich gegen die Pläne für einem Umbau der verfassungsgemäßen Ordnung wende. Nach Angaben eines führenden Vertreters der Sozialistischen Partei, Diosdado Cabello, konnte der Aufruhr schnell niedergeschlagen werden. Er sprach von „terroristischen Attacken“. Offensichtlich war versucht worden, das Waffenlager anzugreifen. Im Rest des Landes gebe es keine Aufstände. „Absolute Ruhe bei den anderen Militäreinheiten.“
Offensichtlich ist, dass die Regierung weiter unter Druck steht. Untrügliches Zeichen hierfür war die Absetzung der kritischen Generalstaatsanwältin Luisa Ortega. Ortega hatte ihre Entlassung durch die Verfassunggebende Versammlung (VV) als „Putsch gegen die Verfassung“ kommentiert. Nach der gültigen Verfassung hat nur das Parlament das Recht, sie ihres Amtes zu entheben.
Für Parlamentspräsident Julio Borges sind die staatlichen Gewalten nun von der Regierung „vollständig in Geiselhaft genommen“. Ortegas Nachfolger ist bereits ernannt: Tarek William Saab. Der 54-Jährige ist regierungstreu und steht seit Ende Juli auf der Liste der Personen, die die USA wegen Korruption und Drogenhandel mit Sanktionen belegt haben. Die 545 Delegierten der VV hatten sich am Freitag im Parlamentsgebäude zu ihrer ersten Sitzung versammelt. Zwei Jahre Zeit haben sie sich für die Ausarbeitung einer neuen Verfassung bewilligt.
Die frühere Außenministerin Delcy Rodríguez wurde zur Präsidentin der VV gewählt. Die 48-Jährige ist eine beinharte Verfechterin der chavistischen Revolution. Legendär ist ihr Auftritt beim Treffen der Mercosurstaaten in Buenos Aires im Dezember 2016, als sie sich trotz der Suspendierung ihres Landes handgreiflich Zugang zur Sitzung verschaffen wollte.
Wohl als Zeichen guten Willens hat die Regierung die Oppositionspolitiker Leopoldo López und den Bürgermeister von Caracas, Antonio Ledezma, am späten Samstagabend wieder in den Hausarrest entlassen. Beide waren vor 10 Tagen in Haft genommen worden. Das willkürliche Hin und Her zeigt, dass auch sie Geiseln der Regierung sind.
Die Mitgliedstaaten der südamerikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur, Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay, haben am Samstag mit der „politischen Suspendierung“ Venezuelas einen weiteren symbolischen Akt vollzogen, der kaum praktische Konsequenzen nach sich zieht. Seit Dezember 2016 ist Venezuelas Mitgliedschaft aus formalen Gründen suspendiert. Doch der Druck in der Region steigt. Schon seit Jahren ist der Exodus vor allem unter den jugendlichen VenezolanerInnen in vollem Gang. 2016 hatten mehr als 370.000 VenezolanerInnen ihr Land in Richtung Kolumbien verlassen. Die Verfassunggebende Versammlung wird zu einem weiteren Anstieg der Auswanderungszahlen führen.
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