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Rechte beeinflussen politische Bildung

Kulturkampf Die AfD sitzt in Mecklenburg-Vorpmmern – wie auch in anderen Nordländern – neuerdings im Kuratorium der Landeszentrale für politische Bildung. Viel hält sie nicht von dieser Einrichtung: Die sei zu aktiv im „Kampf gegen rechts“

von ANDREAS SPEIT

Die Landtagswahlerfolge bringen der AfD nicht nur Landtagsmandate. In Mecklenburg-Vorpommern rückte die Partei auch für fünf Jahre in das Kuratorium der Landeszentrale für politische Bildung. Bei Face­book verpasste sie der Einrichtung noch am Tag der Konstituierung des Kuratoriums den Spott-Namen „Landeszentrale für einseitige politische Bildung“ und erklärte: „Es wird Zeit, dass den Machenschaften der ‚Landeszentrale‘ … mit einer Anfrage auf die Schliche gekommen wird.“

Eine Kampfansage an die politische Bildung der Landeszentrale in Schwerin. Gemäß einer Verwaltungsvorschrift des Ministerpräsidenten und des Bildungsministeriums soll das Gremium die „parteipolitische Ausgewogenheit“ gewährleisten und „inhaltliche Schwerpunkte“ beschließen. Die Mitglieder sollen aus dem wissenschaftlichen und öffentlichen Leben kommen, die der politischen Bildung nahestehen.

Die AfD stört bundesweit, dass die Landeszentralen in unterschiedlicher Weise auch Projekte für Demokratien und gegen Rechtsextremismus mittragen oder selbst ausrichten. Dort, wo die AfD im Landtag ist, steht ihr nach Proporz eine bestimmte Anzahl an Abgeordneten für die jeweiligen Kontrollorgane zu.

Am 27. März fand die kon­stituierende Sitzung des zwölfköpfigen Gremiums statt. „Ganz förmlich“ sei sie verlaufen, sagt Heinrich-Christian Kuhn, Vizedirektor der Landeszentrale. Möglichen Provokationen oder Eskalationen durch die AfD, wie in den Landtagssitzungen üblich, sieht Kuhn gelassen entgegen.

Die AfD-Landtagsfraktion um Erik-Leif Holm schickte ihre Hardliner Ralph Weber, Holger Arppe und Dirk Lerche in das Gremium. Schon vor dem Landtagswahlkampf vergangenen Jahres nahm Weber, Professor für Rechtswissenschaften an der Universität Greifswald, Maik Bunzel, Sänger der Rechtsrockband „Hassgesang“, als Doktoranden an und kritisierte den Ausschluss eines NPD-Kaders zur Landratswahl. Im Landtagswahlkampf trat er mit dem Slogan „Kein Geld für Eure ‚Flüchtlinge‘ – unser Geld für unsere Kinder“ an.

Den Kniefall des früheren Bundeskanzlers Willy Brandt in Polen bezeichnete er gegenüber der SPD-Landtagsfraktion als „Verrat an der Heimat“. Im April dieses Jahres erklärte der 51-Jährige nach dem AfD-Bundesparteitag, dass „Versuche, unser Volk durch Überfremdung mittels Zuwanderung auszutauschen“ gestoppt werden müssten.

Den „Großen Austausch“ zu stoppen – das ist eine zentrale Forderung der „Identitären Bewegung“ (IB). Und Weber forderte sogleich, dass sich „‚Biodeutsche‘ mit zwei deutschen Eltern und vier deutschen Großeltern“ dafür einsetzen müssten, dass „unsere Heimat auch in 30 Jahren noch von einer deutschen Leitkultur geprägt und geformt“ werde. Zu viel für seinen politisch moderaten Fraktionskollegen Matthias Manthei ,der, unlängst auf diese Aussagen angesprochen, sagte: „Wer die NPD in Worten und Taten nachahmt, muss sich fragen lassen, warum er nicht in die NPD eintritt.“ Mit AfD-Positionen hätten „solche kruden Ansichten nichts zu tun“.

Moderate Positionen teilt auch Lerche kaum, er steht hinter Björn Höcke. Distanzierungen vom Thüringischen Fraktionsvorsitzenden lehnt er ab. Trotz dessen radikalen Anfeindungen von Flüchtlingen und klarer Ablehnung der Erinnerungs- und Gedenkkultur zum Holocaust. Berührungsängste mit weit rechten Positionen hat auch Arppe nicht. Den Unvereinbarkeitsbeschluss der AfD zu der vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachteten Identitären Bewegung lehnt er ab.

Bei einer Veranstaltung des Compact-Magazins um Herausgeber Jürgen Elsässer sagte er noch als Landtagskandidat: „Von der Identitären Bewegung kann sich dieser ganze linksextremistische Abschaum eine Scheibe abschneiden.“ Er sei „ganz klar“ gegen diese „Abgrenzerei und Distanziererei“. 2015 hatte das Amtsgericht Rostock Arppe, der auch eine Galerie betreibt, in erster Instanz wegen Volksverhetzung verurteilt.

Ende vergangenen Jahres verhöhnte der stellvertretende Landtagsfraktionschef den Vater der in Freiburg getöteten Maria L. In der Todesanzeige hatten die Eltern der 19-Jährigen für ihre Tochter angeblich zu Spenden für die Flüchtlingshilfe aufgerufen. Auf Twitter schrieb der 44-jährige Arppe: „Pathologische Realitätsverweigerung: Vater sammelt auf Beerdigung seiner von Flüchtlingen ermordeten Tochter Spenden für Flüchtling.“

In einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber „Correctiv – Recherchen für die Gesellschaft“, stellte Arppe gleich seine Intention in dem Kuratorium dar. Mit seinen beiden Kollegen will er die „Unwucht in den Zielstellungen der Landeszentrale für politische Bildung“ beheben. In der Landeszentrale hätten sich viele Mitarbeiter „ganz einseitig dem Kampf gegen rechts verschrieben“. Die AfD wolle jedoch „auf alle Formen des politischen und religiösen Extremismus“ das Augenmerk legen. Der wachsende Linksextremismus sollte vehement bekämpft werden.

„Der AfD möchte keiner einen Erfolg ermöglichen“

Heinrich-Christian Kuhn, VizeDirektor der Schweriner Landeszentrale für Politische Bildung

„Dieser Tatsache muss auch die Landeszentrale für politische Bildung verstärkt Rechnung tragen“, kündigte er an. Bei der Konstituierung hätten die AfD-Abgesandten zudem auch verstärkt mehr Engagement gegen den Islamismus gefordert, berichtet Rasho Janew, der für die Linken-Landtagsfraktion in dem Kuratorium sitzt.

Im Norden ist die AfD in Hamburg durch Jörn Kruse im Kuratorium der Landeszentrale vertreten. In Schleswig-Holstein wird sie ebenso vertreten sein. Auffallend, trotz der Anfeindung, sei, dass ihre Mandatsträger in den Gremien nicht so aktiv seien. Selbst Höcke, der sich um die rechte Bildung sorgt, habe seit 2014 bisher nur einmal an einer Sitzung teilgenommen, sagt Ina Leukefeld, Abgeordnete der Linken und Mitglied des Kuratoriums.

In einzelnen Landtagen stellten die AfD-Fraktionen allerdings bereits umfangreiche Anfragen zur Arbeit der Bildungszentralen und der Geldvergabe. In Sachsen-Anhalt wollte die AfD wissen, ob die Landeszentrale die Zusammenarbeit mit dem neu-rechten „Institut für Staatspolitik“ grundsätzlich ablehne. Das angekündigte Engagement der AfD im Schweriner Kuratorium ist eine Ausnahme – bisher. Ihre erste Intervention scheiterte jedoch. Bei den Wahlen zu Gremiumsfunktionen erhielt sie stets nur ihre eigenen drei Stimmen.

Die Kuratoriumsmitglieder bestimmten den Landtagsabgeordneten Sebastian Ehlers (CDU) zum Vorsitzenden des Gremiums und zu seiner Stellvertreterin die Rostocker SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Cathleen Kiefer-Demuth. Auf die kommenden Sitzungen ist Kuhn gespannt. Der Enthusiasmus der AfD könnte bald verfliegen. Denn jede Entscheidung muss mit der absoluten Mehrheit der Kuratoriumsmitglieder fallen. „Der AfD möchte aber keiner einen Erfolg ermöglichen“, sagt Kuhn, sie glaube nicht daran, dass ihre Abgesandten viel Bewirken werden.

Skandale könnte die Partei mit den internen Informationen aus dem Kuratorium dennoch versuchen zu initiieren.

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