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Campiert wird nicht mehr

Asyl Nach einem Jahr zieht das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten eine durchwachsene Bilanz

Wenn die Chefin des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) von der „Krisenzeit“ spricht, dann meint Claudia Langeheine den Sommer 2015. Damals campierten Hunderte Geflüchtete vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) an der Moabiter Turmstraße; das für die Flüchtlingsaufnahme zuständige Amt kollabierte angesichts der Zahl der Schutzsuchenden.

Die Folgen des Chaos sind auch im LAF, der neu geschaffenen Behörde, die seit einem Jahr für die Versorgung Geflüchteter zuständig ist, noch spürbar. Etwa in Gestalt der 16 Ermittlungsverfahren, die gegen die Behörde vor allem wegen undurchsichtiger Vergabeverfahren oder Abrechnungen anhängig sind.

Alles Vorgänge aus der „Krisenzeit“, betont die Amtsleiterin, die selbst bis zur LAF-Gründung am 1. August 2016 das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten leitete.

Vor diesem Hintergrund konnte auch die Pressekonferenz des LAF am Mittwoch zu seinem einjährigen Bestehen keine reine Erfolgsverkündigung werden. Dabei hat sich mit dem neuen Amt viel zum Positiven verändert: Wartezeiten, einst oft Wochen, lägen jetzt bei „maximal zwei Stunden“, so Langeheine. Das gelang unter anderem, weil das LAF die Registrierung neuer Flüchtlinge und die Betreuung bereits registrierter an zwei verschiedenen Standorten vornimmt.

2015 kamen insgesamt 55.000 Asylsuchende nach Berlin. Im ersten Halbjahr 2017 waren es knapp 3.800. Insgesamt befinden sich derzeit noch 27.131 Asylsuchende in der Verantwortung des LAF. Das hat mit knapp 500 MitarbeiterInnen weniger als vorgesehen: 566 Planstellen sind dem Amt eigentlich zugedacht. Ob das so viele bleiben, werden erst die im Herbst stattfindenden Haushaltsverhandlungen zeigen: Im Senat werde über einen „Abbau von bis zu 150 Stellen“ nachgedacht, bestätigt Langeheine.

Auf alles vorbereitet

Dennoch sei man auch bei steigenden Flüchtlingszahlen heute „besser aufgestellt“ als zur Krisenzeit, so Langeheine. Die im Oktober 2015 eingerichtete Notunterkunft in den Hangars des früheren Tempelhofer Flughafens könne eine große Zahl von Neuankömmlingen aufnehmen: „Campieren wird es nicht mehr geben.“

Genau 27.355 Menschen leben in Berlin derzeit in Flüchtlingsunterkünften. Dass sie schnell in Wohnungen umziehen können, scheint das LAF nicht zu erwarten. Bis Ende 2019 will es den Bestand von insgesamt gut 37.000 Unterbringungsplätzen gemeinsam mit der ihm übergeordneten Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Soziales um weitere 15.000 Plätze aufstocken.

Die sollen dann auch für die Unterbringung Wohnungsloser dienen, die bis jetzt noch den Bezirken obliegt – und zu denen auch anerkannte Flüchtlinge zählen, die keine eigene Wohnung finden. Alke Wierth

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